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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

entfernte. Eine solche Tirannei des Gewissens, – die schlimmste aller schlimmen Regierungsformen, – wollte Philipp in seinen Staaten errichten. Er wollte seine irrdische profane Gewalt mit einem göttlichen Zepter vermählen.

Die kirchliche Regierung hatte schon seit einigen Jahrhunderten die Form der alten römischen angenommen. Ihre Maximen, von dem marktschreierischen Prunk der Zeremonie unterstüzt, hatte eine verführerische blendende Außenseite, der Wille wurde gefeßelt, und alle Gewissen unter einem einzigen Gottesdienste vereinigt; dann freilich waren nur wenige Schritte zu einem einzigen Gesez. Eben darum dachten auch schon mehrere Fürsten auf eine Wiedervereinigung der Monarchie mit dem Priesterthum, und glaubten durch diesen Kunstgriff sich einer gränzenlosen Gewalt zu versichern. Aus keinem andern Grund gestand Philipp der Zweite, der es in Anschlägen dieser Art allen seinen Vorgängern und Zeitgenossen zuvorthat, dem römischen Bischoff die Unfehlbarkeit zu; er selbst wollte sich dieses Vorrecht in seinen Staaten anmaßen, und mit dem heiligen Kreuz so gut als mit seinem Schwerde befehlen. Es lag ihm daran, jeden Widerspruch abzuschneiden, wo sein Vortheil im Spiele war; man sollte zittern, wenn er sein Kruzifix in die Hand nahm; der intoleranteste Pfaffe sprach aus dem Mund des unempfindlichsten Königs.

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft2_073.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)