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mit der altväterischen, derben Bonhommie, die er dieser Sprache im Eingang nachrühmt, im Kontrast steht: der Märtyrertod des ersten lutherischen Predigers in Dithmarsen. Diese kalte Wuth, dieser Hohn menschlichen Gefühls, diese Spurlosigkeit alles Barmherzigen, womit hier der arme Mann einem langsamen und schauderhaften Tode überliefert wird, macht nicht nur an sich einen bösen Fleck in der dithmarsischen Geschichte aus, sondern erinnert auch sehr zur Unzeit, daß diese beste Zucht niedersächsischer Männer, die Dithmarsen, von jeher neben ihrer Tapferkeit und eisernen Sitte, mit asiatischer Barbarei an Gefühllosigkeit gegen Feind und Freund gewetteifert haben, was den allerdings wol auf eine derbe und rohe, aber keineswegs auf so eine „alte und gemüthliche“ Sprache hindeutet, wie’s so etwa von einem unserer friedlichen und gutmüthigen Philister heutiger Zeit verstanden wird. – Fügen Sie noch hinzu, sagte hierauf mein Freund, daß das Dithmarsen der Gegenwart, das noch ganz und gar plattdeutsch ist, und wo auch noch wirklich das beste platt[1] gesprochen wird, weder in moralischer noch in gesellschaftlicher Berührung ein sehr glänzendes Lob auf dasselbe zuzulassen scheint. Die Armuth, Trunkfälligkeit, die ungeheure Zahl der verübten Mordbrände in Dithmarsen deuten auf einen sehr versunkenen sittlichen und bürgerlichen Zustand. Eben er, der mit herrlichem Eifer für die Verbreitung religiöser und moralischer Lebensflammen erfüllte Pastor Harms hat in patriotischen Schriften seinen Schmerz darüber ausgesprochen. Was kann er aber, sage ich jetzt mit vollster Ueberzeugung, von der Mithülfe einer Sprache erwarten, welche aller Mittheilung unbesiegliche Schranken entgegenstellt und das wahre Grab des höheren Leben ist. Es stände zu wünschen, daß ein dithmarsischer Patriot den nachtheiligen Einfluß der Sprache auf die Fortschritte der Civilsation und selbst auf die schönere Humanität einer ausgezeichneten Einzelbildung aus der Allgemeinheit Ihrer Schrift übertragen möge auf Dithmarsen und die Dithmarsen, wie sie sind und was sie vermöge ihrer Sprache sind und nur sein können.


  1. Doch nicht rein, sondern mit friesischen Wörten untermischt.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Ludolf Wienbarg: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden?. Hoffmann und Campe, Hamburg 1834, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Platt_pflegen_(Wienbarg)_039.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)