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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

IV.
Ueber Gefühl.


Die kalte Ruhe der Vernunft zu wärmen,
Goß Gott in uns den Funken Leidenschaft,
Nicht um in Kummer langsam uns zu härmen;
Nein, zur Empfindung unsrer Menschenkraft.

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Und welches Unheil schaft das Himmelsfeuer,

Das die Natur in unsre Seelen goß!
Es macht aus Engelherzen Ungeheuer
Und bricht der Tugend heil’ges Siegel los:

Der Mann ist elend, der mit trüben Augen

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Durch Gottes gute schöne Schöpfung schielt;

Nur Blumen bricht, um Gift daraus zu saugen,
Und feindlich in der Unglücksweisheit wühlt.

Doch elend ist auch, dessen weiche Seele
Ein kleines sterbendes Insekt entführt,

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Ein Heimchen, aufgescheucht aus seiner Höle,

Und ein zertretner Wurm zu Thränen rührt.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_284.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)