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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

entgegen. Diese unerwartete Zusammenstimmung des Zufälligen der Natur mit dem Nothwendigen der Vernunft, erweckt ein Gefühl frohen Beyfalls, (Wohlgefallen) welches auflösend für den Sinn, für den Geist aber belebend und beschäftigend ist, und eine Anziehung des sinnlichen Objekts muß erfolgen. Diese Anziehung nennen wir Wohlwollen – Liebe; ein Gefühl, das von Anmuth und Schönheit unzertrennlich ist.

Bey dem Reiz (nicht dem Liebreiz, sondern dem Wollustreiz, stimulus,) wird dem Sinn ein sinnlicher Stoff vorgehalten, der ihm Entledigung von einem Bedürfniß, d. i., Lust verspricht. Der Sinn ist also bestrebt, sich mit dem Sinnlichen zu vereinbaren, und Begierde entsteht; ein Gefühl, das anspannend für den Sinn, für den Geist hingegen erschlaffend ist.

Von der Achtung, kann man sagen, sie beugt sich vor ihrem Gegenstande; von der Liebe, sie neigt sich zu dem ihrigen; von der Begierde, sie stürzt auf den ihrigen. Bey der Achtung ist das Objekt die Vernunft und das Subjekt die sinnliche Natur [1]. Bey der


  1. Man darf die Achtung nicht mit der Hochachtung verwechseln. Achtung (nach ihrem [218] reinen Begriff) geht nur auf das Verhältniß der sinnlichen Natur zu den Foderungen reiner praktischer Vernunft überhaupt, ohne Rücksicht auf eine wirkliche Erfüllung. „Das Gefühl der Unangemessenheit zu Erreichung einer Idee, die für uns Gesetz ist, heißt Achtung“ (Kants Kr. d. Urtheilskraft). Daher ist Achtung keine angenehme, eher drückende Empfindung. Sie ist ein Gefühl des Abstandes des empirischen Willens von dem reinen. – Es kann daher auch nicht befremdlich seyn, daß ich die sinnliche Natur zum Subjekt der Achtung mache, obgleich diese nur auf reine Vernunft geht; denn die Unangemessenheit zu Erreichung des Gesetzes kann nur in der Sinnlichkeit liegen.
    Hochachtung hingegen geht schon auf die wirkliche Erfüllung des Gesetzes, und wird nicht für das Gesetz, sondern für die Person, die demselben gemäß handelt, empfunden. Daher hat sie etwas ergötzendes, weil die Erfüllung des Gesetzes Vernunftwesen erfreuen muß. Achtung ist Zwang, Hochachtung schon ein freyeres Gefühl. Aber das rührt von [219] der Liebe her, die ein Ingrediens der Hochachtung ausmacht. Achten muß auch der Nichtswürdige das Gute, aber um denjenigen hochzuachten, der es gethan hat, müßte er aufhören, ein Nichtswürdiger zu seyn.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_217.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)