Seite:De Neue Thalia Band3 129.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

schönen Menschengestalt ganz und gar vergessen, was sie ausdrückt, man könnte ihr, ohne sie in der Erscheinung zu verändern, den rohen Instinkt eines Tigers unterschieben, so würde das Urtheil der Augen vollkommen dasselbe bleiben, und der Sinn würde den Tiger für das schönste Werk des Schöpfers erklären.

Die Bestimmung des Menschen, als einer Intelligenz, hat also an der Schönheit seines Baues nur in so fern einen Antheil, als ihre Darstellung, d. i. ihr Ausdruck in der Erscheinung zugleich mit den Bedingungen zusammentrift, unter welchen das Schöne sich in der Sinnenwelt erzeugt. Die Schönheit selbst nehmlich muß jederzeit ein freyer Natureffekt bleiben, und die Vernunftidee, welche die Technik des menschlichen Baues bestimmte, kann ihm nie Schönheit ertheilen, sondern bloß gestatten.

Man könnte mir zwar einwenden, daß überhaupt alles was in der Erscheinung sich darstellt, durch Naturkräfte ausgeführt werde, und daß dieses also kein ausschließendes Merkmal des Schönen seyn könne. Es ist wahr, alle technische Bildungen sind hervorgebracht durch Natur, aber durch Natur sind sie nicht technisch, wenigstens werden sie nicht so beurtheilt. Technisch

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_129.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)