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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

errungen hatten. Der einzelne Mensch hängt nicht von seinem Zeitalter ab; aber ob er seinen Geist durch bleibende Einrichtungen darstellen kann, und ob andre in diesen die Symbole ihrer Ideen erkennen, und sie gelten lassen wollen, darüber vermag er nichts. Reine Moralität hat ihren Wohnplatz einzig im Innern des Menschen, aber ob die bloße Befolgung der Gesetze und der Gebräuche, wenn sie auch ohne Einstimmung des Herzens geheuchelt werden, doch die Tugend gleichsam in einer Schriftsprache darstellen, die bey den Tugendhaften lebendiges Wort wird; dies hängt von dem Siege der Wahrheit, und von der größern Fertigkeit, die Heucheley zu erkennen, ab, wodurch die Verfassungen geläutert wurden. Ich überlasse mich oft den tröstenden Gedanken, daß wir uns dem Punkt nähern, wo die Menschheit lernen wird, daß sie auch hier am glücklichsten lebt, wenn ihre Handlungen das Vorbild einer im Reiche der Wahrheit und Liebe gehofften Zukunft sind, und wenn ihr die Vernunft sagt, daß kein Unterschied dorten seyn kann zwischen Herr und Knecht, sondern jeder als Vernunftwesen Gesetzgeber, und jeder als Geschöpf Diener dieses Gesetzes seyn wird; daß sie auch hier sich mit dem Namen Bürger in allen ihren Verhältnissen begnügt, als das schönste

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_073.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)