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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

und Finsterniß. Graf Campobello und Fioretta waren allein in dem entferntesten Flügel, sie hörten nur das leise Summen der Harfe.

Noch nie hatte Fioretta ihren Vater so munter gesehen, froher Scherz strömte von seinem Munde und ein liebenswürdiger Enthusiasmus schien seine durch Alter und Erfahrung abgekühlten Lebensgeister, selbst bis zum höchsten lyrischen Schwunge anzuflammen. Stunden lang sprach er von den Süßigkeiten seiner ersten und einzigen Minne, manche heisse Zähre floß dem Andenken seiner verewigten Francesca, und das Herz der kleinen Fioretta fühlte sich durch diese Schwärmerey gewaltig in die Enge getrieben. Wohl zehnmal versuchte sie ein paar Worte zu lallen, immer ward ihr Mund geschlossen von der Macht wunderbarer Gefühle. Endlich brachen ihre Thränen unaufhaltsam hervor und diese seltsame Scene versetzte den alten Ritter plötzlich aus seiner Traumwelt zurück in die Wirklichkeit. Zärtlich liebkosend fragte er nach der Ursache des Weinens, ein Feuerkuß auf seine Hand war Fioretta’s Antwort. Er bat, er beschwor seinen Liebling, und erhielt endlich von den Lippen des hocherröthenden Mädchens, das unter hellen Thränen hervorgestammelte Bekenntnis: „Vater, ich liebe!“

Der alte Graf fühlte noch in seinem Herzen den sanften Wellenschlag, welchen die entzückenden

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 390. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_390.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)