Seite:De Neue Thalia Band2 357.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

selbst zum Gegenstand hat. Nun bitte ich dich um deine ganze Aufmerksamkeit! Wer in den Mysterien der Liebe so weit gekommen ist, daß er eine so richtige Philosophie des Schönen erlangt hat, der ist der lezten Einweihung nahe. Er steht nun an dem Ziele, wohin alle vorhergegangne Bemühungen allein abzweckten; Ihm offenbaret sich nun mit einemmale der Anblick der ewigen Urschönheit, jenes ausserordentlichen Wesens. Ewig ist diese Schönheit, keinem Entstehen und keinem Vergehen, keinem Zuwachse und keiner Abnahme unterworfen. Eben darum ist sie auch nicht bloß einem ihrer Theile nach, nicht bloß in einem gewissen Verhältniß, nicht bloß zu einer gewissen Zeit, nicht bloß an einem gewissen Ort schön, einem andern Theil nach, in einem andern Verhältniß, zu einer andern Zeit, an einem andern Orte hingegen häßlich; folglich auch nicht bloß für den einen Menschen schön, für den andern häßlich. Sie ist kein Objekt einer Anschauung, wie eine Person, eine Hand, oder sonst ein körperlicher Gegenstand; kein Begriff, keine Idee. Sie ist kein Akzidenz irgend eines Subjektes, z. B. eines lebenden Geschöpfs, weder auf der Erde, noch im Himmel, noch sonst irgendwo. Sondern sie ist an und für sich selbst, ohne Wechsel und ohne Beimischung eines fremdartigen Stoffes, nur sich selbst gleich. Alles was schön ist, ist es nur dadurch, daß es ein

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_357.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)