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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

Nun sind aber einige, Hälften der eigentlichen Zwitter, die zweyerley Geschlecht hatten. Der männliche Theil von diesen liebt die Weiber, und diese Klasse hat uns die meisten Buhler geliefert, so wie der weibliche Theil von ihnen, der die Männer liebt, die meisten Buhlerinnen. Die Hälften der ehmaligen Doppelweiber sind gleichgültig gegen die Männer und lieben nur ihr eignes Geschlecht; daher die Tribaden. Die Hälften der vormaligen Doppelmänner aber fühlen eine Neigung zum Männergeschlecht. So lange ihre Jugend dauert, lieben sie, als Theilchen von einem Manne, nur Männer, und finden Vergnügen in ihrem Umgang und in ihrer Umarmung; und dies sind die edelsten Knaben und Jünglinge, weil sie von Natur die männlichsten sind. Mit Unrecht hat man sie der Unzüchtigkeit beschuldiget; denn nicht Unzucht, sondern inneres Gefühl ihrer männlichen Kraft, und männlicher Geist ist der Grund ihrer Neigung zu ihrem Geschlechte. Dies zeigt sich offenbar dadurch, daß nur solche Jünglinge im reiferen Alter die politische Laufbahn betreten. Zu Männern gereift lieben sie selbst wieder Jünglinge; heirathen zwar und zeugen Kinder, aber nicht aus Neigung sondern gezwungen durch das Gesez; zufriedener, wenn sie unverheirathet im Umgang mit ihres gleichen leben


so daß man sie beynah für halbirt oder durchschnitten ansehen könnte. S. Wolfs Ausg. des Symp. an dieser Stelle.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_214.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)