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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Brahe war für keine von den treflichen Eigenschaften des Königs blind, und die Offenheit die aus seinem ganzen Wesen hervorleuchtete, hatten ihr die beste Idee von seinem Charakter gegeben. Es war schwer, für einen solchen Gesellschafter nichts zu empfinden; ungerührt bey dem Dringen eines solchen Liebhabers zu bleiben, beynahe unmöglich. Aber nur in dem ersten Augenblick wurde ihr Herz überrascht. Ihr feines Gefühl des Schicklichen lehrte sie schnell, was Anstand und ihr eignes Verhältniß von ihr forderten, und sie hatte Standhaftigkeit genug, die schwerste der Pflichten zu erfüllen. Von der Minute an, wo ihr der König seine Liebe erklärt hatte, machte sie es ihm unmöglich, sie wieder ohne Zeugen zu sprechen, und sie fand selbst Mittel, ihm ihren Anblick in Gegenwart des ganzen Hofes zu entziehen.

Seine Leidenschaft wurde dadurch auf das äußerste gespannt, aber sie konnte ihn zu keiner Unternehmung hinreißen, die das feine Gefühl seiner Geliebten hätte beleidigen

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band1_258.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)