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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Darstellung aus dem Gemüthszustand der handelnden Personen in den des Erzählers, welches die, zum Mitleid so nothwendige, Täuschung unterbricht. So oft der Erzähler in eigner Person sich vordringt, entsteht ein Stillstand in der Handlung, und darum unvermeidlich auch in unserm theilnehmenden Affekt; dieß ereignet sich selbst dann, wenn sich der dramatische Dichter im Dialog vergißt, und der sprechenden Person Betrachtungen in den Mund legt, die nur ein kalter Zuschauer anstellen konnte. Von diesem Fehler dürfte schwerlich eine unsrer neuern Tragödien frey seyn, doch haben ihn die französischen allein zur Regel erhoben. Unmittelbare lebendige Gegenwart und Versinnlichung sind also nöthig, unsern Vorstellungen vom Leiden diejenige Stärke zu geben, die zu einem hohen Grade von Rührung erfodert wird.

II. Aber wir können die lebhaftesten Eindrücke von einem Leiden erhalten, ohne doch zu einem merklichen Grad des Mitleids

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band1_204.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)