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in einer Hand vereinigt war. In diesen Zeiten erscheint es nicht unmöglich, dass in einer der damaligen Hauptstädte des Herzogthums der Neubau eines grösseren Münsters begonnen und durchgeführt wurde; und die zu Breisach vorhandenen, ältesten Reste scheinen diese Annahme völlig zu bestätigen.

Betrachtet man den Grundriss des Münsters und von ihm besonders den unzweifelhaft ältesten Theil, die Querhausanlage, so fällt sofort deren ungemeine Unregelmässigkeit auf. Berücksichtigt man weiter den Aufbau und so weit möglich die Mauertechnik dieser Gebäudetheile, so erscheint es als sicher, dass der nördliche Arm des Querhauses zur Zeit der Ueberwölbung der Kirche in der Absicht, denselben gleich der Vierung quadratisch zu gestalten, sammt der dort angebauten Ostconche, nicht eben schön nach Norden verlängert worden ist, woraus folgt, dass die südlichen Theile des Querhauses die älteren und somit die ältesten des ganzen Münsters sein müssen. Die Gestaltung der vorhandenen Reste des Aufbaus rechtfertigt diese Behauptung.

Denn während die südliche Ostapside ebenso wie der stidliche Querhausgiebel völlig einfach und schmucklos erscheinen, das dortige Conchenfenster gemauerte Gewände besitzt und die Anlage in keinem Zusammenhang steht mit dem schon im Grundriss durch sein Einschneiden in die Conchenmauer als späterer Anbau sich deutlichst darstellenden südlichen Hahnenthurm, verweisen Dekoration und Gliederung der entsprechenden nördlichen Theile unbedingt in spätere Zeit, in das ı1., spätestens ı2. Jh.

Ja die Gleichheit der Wandgliederung mit Lisenen und Bogenfriesen, die stilistische Aehnlichkeit der Ornamentation sowie vor Allem die vorhandenen Reste des verbindenden Sockelgesimses nöthigen, die Untergeschosse des nördlichen Thurmes als mit der nördlichen Querhauserweiterung zusammen entstanden anzunehmen. Weiter aber bedingt die völlige Uebereinstimmung der unteren Geschosse beider Thürme ihre gleichzeitige Errichtung, was die oben aufgestellte Behauptung, der südliche Thurm sei eine spätere Zuthat, bestätigt und denselben gleichfalls ungefähr in die Zeiten des 12. Jhs. verweist. Interessant ist dabei zu bemerken, dass bei diesen Thurmbauten verschiedene Grundrissgrössen benützt wurden, gezwungen durch die verschiedene Weite der Ostconchen, wohl um die äussere Verbindung zwischen Apsiden und Thürmen thunlichst einheitlich zu gestalten.

Von Architekturtheilen dieses ältesten Baues scheint nichts auf uns gekommen zu sein. Aus der ursprünglich den südlichen Querhausgiebel krönenden Brustfigur eines Mannes aus rothem Sandstein, die jetzt im Winkel des südlichen Querhausarmes hinter dem Taufstein aufbewahrt wird, kann nichts geschlossen werden, da sie völlig verwittert, nur in Umrissen noch kenntlich ist, übrigens auch, den Aufnahmen nach, auf der Spitze des Nordgiebels sich wiederholt zu haben scheint. Dagegen wird berichtet, dass vor nicht langer Zeit noch ein altes Architekturstück vorhanden gewesen sei, der Ueberrest eines Frieses oder Bandsimses, ‘eingemauert rechts vom Eingang in die Chorkapelle und links vom Standbild des h. Stephanus, mit einem Eierstab ziemlich frühester Form (?) geziert’. (Breisacher Zeitung 1889 Nr. 147 148.)

Ich selbst konnte dies Fragment, das wohl bei der letzten Ausmalung der Kirche unter Putz und Anstrich verborgen wurde, nicht mehr auffinden, aber die Nachricht erscheint glaubwürdig und wäre unter Umständen als ein weiteres Zeugniss für die Entstehung der ältesten Theile unseres Münsters in direkt nachkarolingischer Zeit zu betrachten.

Empfohlene Zitierweise:
Franz Xaver Kraus: Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden. Band 6. Jacob Christian Benjamin Mohr, Tübingen und Leipzig 1904, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kunstdenkm%C3%A4ler_Baden_6_069.jpg&oldid=- (Version vom 25.4.2023)