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Neben den genealogischen Projekten des Kaisers finden wir schon in seinem vierten „Gedenkbüchl“, das in die Jahre 1508–1515 gesetzt wird, unter den beabsichtigten Werken an erster Stelle ein Kaiserbuch. Das war das literarische Denkmal, das den Speirer Bildwerken an die Seite treten sollte. Wir können auch diesen Plan weit zurückverfolgen, über Maximilian hinaus. Schon Thomas Ebendorfer schrieb im Auftrag Friedrichs III. eine Chronica regum Romanorum, erst von hier aus ist er zu seiner österreichischen Geschichte gekommen. Mit Maximilian und dem Humanismus tritt aber auch diese historische Aufgabe unter einen neuen Gesichtspunkt. Bestrebungen scheinbar entgegengesetzter Art wirken dabei zusammen. Es scheint ein Widerspruch, daß der Humanismus einerseits den deutschen Charakter des Kaisertums seit Karl dem Großen mit allen Mitteln verteidigt und die deutsche Auffassung der Kaisergeschichte gegen die italienisch-päpstliche hervorkehrt und anderseits den größten Wert darauf legt, diese deutsche Kaiserreihe an die römische anzuknüpfen und sogar in der Behandlung der beiden möglichste Gleichförmigkeit anstrebt. Aber das wird nicht empfunden, von den Humanisten so wenig wie etwa von Lupold von Bebenburg, der ja auch ein gut Teil seiner Beweisführungen für ein selbständiges deutsches Kaisertum auf die Nachfolge im römischen Imperium gründet, und trotz aller Bemühungen um einen Anfang deutscher Geschichte dachte auch von den Humanisten niemand, der von deutschen Kaisern handeln wollte, daran, die Verknüpfung mit der römischen Kaiserreihe aufzugeben. Der Drucker, der 1505 Wimpfelings Epitome ans Licht gab, stellte ihm das Breviarium des sog. Sextus Aurelius Victor, das eine Kaiserreihe von Augustus bis Theodosius enthielt, voran und ließ den Liber Augustalis des Benvenuto von Imola[1] folgen, den Laurentius Abstemius damit verbunden hatte. Er enthielt wieder eine Kaiserreihe, diesmal von Cäsar bis zu Maximilian. Benvenuto selbst war bis zu Wenzel gelangt, die vier Skizzen für Ruprecht, Sigismund, Abrecht II. und Friedrich III. hatte kein Geringerer als Pius II. hinzugefügt[2]; die Bemerkungen über Maximilian kommen wohl auf Rechnung des Abstemius selbst. So war eine doppelte Vorhalle für das Wimpfeling-Murrhosche Werk entstanden und historischer Lesestoff von Christi Geburt bis zur Gegenwart geboten. Der Gedanke einer solchen Zusammenstellung von Altem und Neuem blieb den Humanisten geläufig. Noch 1520 hat Beatus Rhenanus seiner Ausgabe der lateinischen Panegyriker auch die modernen des Hermolaus Barbaras, Erasmus, Pandulfus Collenutius usw. auf Friedrich, Maximilian und die Ihren hinzugefügt,


  1. [290] 26) S. über diesen Lorenz, G. Qn. II, 291. – Wimpfeling empfiehlt im Isidoneus Kap. 28 den liber Augustalis als Schullektüre.
  2. [290] 27) S. NA. XXIX, 262.