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vom Hofe des Tiroler Erzherzogs Sigismund her, wo man den Humanismus nicht viel anders anschaute als Max selbst. Er wurde dann auch, wohl 1498, ausdrücklich zum „Chronikmacher“ oder „Chronikmeister“ Maximilians ernannt.

Wie sich Max sein Geschäft vorstellte, verrät ein charakteristischer Eintrag in seinem Gedenkbuch, der sich doch wohl auf die Anfänge von Suntheims Tätigkeit bezieht. „Herr Lasla priester soll die österreichisch, sächsisch und bairisch Chroniken zusammenstimmen.“ Also die „concordia chronicarum“ ist das Ziel, hier für die genealogische Forschung[1], wie sie es für den älteren Humanismus überhaupt gewesen ist. – Suntheims Eigenart kennen wir. Aber auf dem beschränkten Gebiet, das ihm Maximilian zuwies, war er ein wirklicher Forscher, der Fragen, wie die Ausdehnung des alten Herrschaftsgebietes der Zähringer mit Umsicht behandelte. Aber er scheint Maximilian zu langsam und zu bedächtig gewesen zu sein, auch war er ein alter Mann, als sich der Kaiser diesen Arbeiten energisch zuwendete, und so ist er als des „römischen Königs Chronist“ bald gegen den Jakob Mennel zurückgetreten.[2]

Mennel hat als seinen Lehrer Nauklerus bezeichnet[3], aber dieser hat keine Ursache gehabt, auf den Schüler stolz zu sein – Mennel ist, soweit wir sehen können[4], einer der geringsten Geister, die damals den Trieb in sich fühlten, etwas Historisches zu schaffen. Er ist, wie er selbst sagt, mit Legendenlesen groß geworden, und die erste „historische“ Arbeit, die er 1503 Maximilian widmete, war eine Zusammenstellung der Vor- und Wunderzeichen der älteren und neueren Zeit.[5] Dann bot er sich als Mitarbeiter bei den genealogischen Plänen des Kaisers an und ist dann auch in seinem Auftrag jahrelang weit „umgeritten“, um das Material für Stammbaum und Stammchronik herbeizuschaffen. Er hat dabei wohl eine Vorstellung davon, daß hier „brieff, register, rödel, seelbuecher und schrifften“ bisweilen noch wichtiger sein könnten, als die oft „einander widerwertigen Cronichisten“, er achtet auf Särge, Grabsteine, Inschriften von alten „Porten und Thürnen“[6], er hat also den Wunsch, die habsburgische Genealogie ebenso auf das urkundliche Material zu gründen, wie wir es bei Peutinger für die Kaiserreihe sehen werden, aber er ist dazu nicht entfernt imstande. Er betrachtet die Geschichte als einen großen Gerichtshandel, bei dem er im Stile der Zeit Zeugen abhört und sich möglichst viel Briefe und Siegel produzieren läßt, im übrigen aber das ganze Material scholastisch zusammenstellt. Und so sehen wir ihn denn bald ebenso willig die Chroniken „zusammenzustimmen“, um


  1. [288] 15) Nur darauf bezieht sich die Stelle. Ebenso sagt Cuspinian l. c. 486: Primus enim inter omnes principes nostra aetate singulorum genealogias indagavit, missis per Italiam, Franciam et Germaniam nunciis, qui omnia coenobia, omnes bibliothecas, omnia archiva principum disquirerent, evolverent ac perscrutarentur. Atque ob id annales singularum provinciarum, qui situ delitescebant ac squalore, tineis absumebantur, eius opera revixerunt et in lucem commigrarunt.
  2. [288] 16) S. über ihn Horawitz in ADB. XXI, 358 ff. und mehrfach berichtigend Laschitzer im Jahrbuch der kunsthist. Sammlungen des Kaiserhauses IV, V und VII. Ferner Th. Ludwig, Die Konstanzer Geschichtschreibung S. 38 ff. und 152 ff., wo man auch am besten die Arbeitsweise Mennels kennen lernt. Eine günstigere Beurteilung bei Albert l. s. c. Die von Laschitzer l. c. V, 220 erwähnte Rhetorica minor cum tractalulo kalendarum, nonarum et yduum inuenibus admodum utilis liegt mir vor. Sie ist 1494 verfaßt. In der Schlußschrift nennt sich Mennel: Jacobus Mennel ex Pregantzia, optimarum arcium liberalium magister almique studii Friburgensis conregens necnon certorum juuenum pedagogus ac informator plurimum commendabilis. Das Büchlein selbst ist wertlos, es ist iuxta familiärem Donati nostri processum geordnet.
  3. [288] 17) Laschitzer im Jahrbuch VII, 114: Nauclerus Tuwingensis, praeceptor meus.
  4. [288] 18) Sein größtes Werk, der „Geburtsspiegel“ oder „Fürstliche Chronik“ von 1518, ist ungedruckt. Doch haben wir nach seinen anderen Werken und nach der Inhaltsangabe des Geburtsspiegels bei Laschitzer (l. c. VII, 12 f.) kaum Ursache, mit diesem in dem Buch einen Gipfelpunkt Maximilianischer Geschichtschreibung zu sehen.
  5. [288] 19) Da es aus dem Jahre 1502 einen ähnlichen liber prodigiorum von Josef Grünspeck gibt [Wickhoff, Beschreib. Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österreich I. Tirol S. 193], so wird man absichtliche Konkurrenz oder eine Anregung Maximilians anzunehmen haben.
  6. [289] 20) Siehe die Vorrede und Beschlußrede zur „Fürstlichen Chronik“ bei Laschitzer l. c. IV, 75 f.