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etwas von den Zornesrufen suchen, die aus jeder Geschichtsquelle der Maximilianischen Zeit ertönen. Es ist doch auch nur dadurch zu erklären, daß Münster sich für die deutsche Kaisergeschichte mit dem trocknen Annalenexzerpt Brieffers begnügte.

Diese Mängel und Vorzüge des Münsterschen Werkes sind nun aber wichtig geworden. Denn ein Jahrhundert lang ist die Kosmographie, in 27 deutschen und 8 lateinischen Ausgaben verbreitet, eine bevorzugte Quelle nicht nur geographischer, sondern auch historischer Belehrung des deutschen Bürgers gewesen. –

Man ist versucht, sich auszumalen, wie es wohl geworden wäre, wenn neben Münsters Kosmographie Aventins Zeitbuch über ganz Deutschland gestanden hätte. Gewiß hätten dann die großen Gedanken des deutschen Humanismus in originalerer Gestalt weitergelebt. Deutschland hätte damals seine Kaisergeschichte in dem Sinne erhalten, in dem erst die Romantik sie wirklich geschaffen hat. Aber ganz aus den Ideen des Celtis heraus wäre auch Aventins Buch nicht geschrieben worden. Auch er ist, als er die Feder zur Germania illustrata ansetzt, weit weg von dem sieghaften Optimismus, der noch das Buch des Irenikus durchdringt. Er dünkt sich wie einer der Geschichtschreiber der versinkenden Welt des Altertums[1], das Gefühl der ersten Humanisten, die in Petrarkas Spuren gehend sich am Ende der Zeiten glaubten, ist bei den Männern, die aus der Maximilianischen Zeit hinüberlebten in die Jahre des Bauernkriegs und der Religionshändel, wieder herrschend geworden.

Das ist der innere Grund, der den Plan des Celtis am Reifen verhindert hat. Der äußere lag in der unmöglichen Verbindung des schildernden und des erzählenden Elements. Was hier notwendig gewesen wäre, Kulturdurchschnitte der einzelnen Perioden deutscher Geschichte zu geben, das lag weit über dem Vermögen jener Zeit. Rhenanus hat die Aufgabe erkannt, Aventin hat sie in eigentümlicher Beschränkung, aber mit genialer Intuition angegriffen, von denen, die dann den Humanismus zu überwinden suchten, hat sie einer in seiner Weise gelöst, Sebastian Franck.

Auch der Plan einer lokalen Arbeitsteilung, wie ihn Aventin entwickelte, ging über die Kräfte des deutschen Humanismus. Er hätte höchstens in der Art durchgeführt werden können, wie es Celtis vorhatte, als er sich Beschreibungen aus Tirol und Mähren erbat, die dann doch wohl ähnlich in seinem Werke gestanden hätten, wie die Beiträge, mit denen Münster die späteren Auflagen seiner Kosmographie immer mehr ausgestaltete, und das Kaiserbuch Peutingers


  1. [286] 147) WW VI, 79: Et quamquam Turcae impium atque ignobile vulgus, theologicus furor, tumultus populares, fanatici fatui omnia perturbent ac plane non solum litteratis omnibus, verum eciam ipsis litteris exicium comminitentur, tamen ego more cygnorum, qui morituri dulcissime cantitant, imitabor sanctissimos atque eloquentissimos pontifices et vates . . ., qui Rhomano imperio sensim labente hostibus undique circumstrepentibus inte arma nunquam tamen a scribendo cessarunt, immo magis litteris incubuere et communi pesti morboque publico huiuscemodi remedio occurrerunt.