Seite:De Geschichtsauffassung 183.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

zeigte sich in zahllosen Wiederholungen und nicht geringen Widersprüchen.

Auch sonst hören wir nichts Günstiges über das Buch. Wie der Nürnberger Kreis über die Exegesis dachte, wissen wir nicht, Pirckheimer hat sie auch da nicht genannt, wo er es leicht hätte tun können. Althamer, der Irenikus doch mancherlei verdankte, sprach nur von der „Zusammenstoppelung“[1], und Melanchthon berichtet, es habe Irenikus später oft gereut, seiner Warnung nicht gefolgt zu sein.

Das wird seine Richtigkeit haben, denn die Germania illustrata ist das erste und letzte gedruckte historische Werk des Irenikus geblieben. Noch in demselben Jahre, wo sein Buch erschien, trat das für sein Leben entscheidende Ereignis ein, die Heidelberger Disputation Luthers gewann ihn völlig für diesen und für die Theologie. In den Abendmahlskämpfen der Reformation ist er dann noch als streitbarer Theologe hervorgetreten; ob sein Kommentar zu den Episteln des Horaz, den sein Sohn herausgab, aus dieser späteren Zeit stammt, kann ich nicht sagen. –

Für uns hat die Exegesis aber doch eine eigentümliche Bedeutung. Es gibt kein zweites Geschichtswerk, in dem sich das jugendliche Stürmen und Drängen des deutschen Humanismus, sein leidenschaftliches Streben, universal zu sein, nicht im Sinne der formgewaltigen Italiener, sondern im Sinne eines faustischen Allwissensdranges, in dem sich endlich der politische und kulturelle Optimismus des um die Jahrhundertwende heranwachsenden Geschlechts so deutlich ausspricht wie hier. Es ist doch bedeutsam, daß die Exegesis in demselben Jahre erschien, wo Hutten seine berühmten Worte an Pirckheimer schrieb: „O saeculum! o literae! Juvat vivere, etsi quiescere nondum iuvat, Bilibalde. Vigent studia, florent ingenia. Heus tu, accipe laqueum, barbaries, exsilium prospice.“ Schon ein paar Jahre darauf war ein Werk aus dieser Stimmung nicht mehr möglich.


Für die Zeitgenossen war also das Werk des Irenikus nicht die Germania illustrata, die sie erhofft hatten. Aber es hat vielleicht den Bestrebungen, sie zu schaffen, einen neuen Anstoß gegeben. Beatus Rhenanus geht von der Kritik des Irenikus aus, als er seine eigenen Pläne einer deutschen Geschichte fester ins Auge faßt. Und auch darauf wird die Exegesis von Einfluß gewesen sein, daß man nun die Größe der Aufgabe erkannte und zu der Überzeugung kam, daß sie nur mit vereinten Kräften zu lösen sei. Man hat in dem Plane,


  1. [282] 115) Tacituskommentar II, 65: quae Franciscus Irenicus lib. 6 cap. 25 confarsit in sua Germaniae exegesi.