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waren, insbesondere aber Genealogien der Fürstengeschlechter und Bischofsreihen sich fanden.

Begreiflich, daß ein solches Buch selbst unter den sich drängenden Ankündigungen auf anderen Gebieten, den Dunkelmännerbriefen, dem Triumphus Reuchlins, den ersten theologischen Arbeiten Luthers Aufsehen erregte. Spalatin begehrte sehr es alsbald zu sehen.[1] Doch gab es noch einen Anstand. Die Zusendung an Pirckheimer sollte dem Werk einen Patron verschaffen, der auch durch seine Fürsprache des reichen Hans Kobergers Mittel für den Verlag gewönne, da Anshelm offenbar das Risiko doch nicht laufen wollte, zugleich aber hat sich Irenikus nach Humanistenart von Pirckheimer eine Art Kritik seines Planes erbeten.[2]

Pirckheimer hat die Verbindung des Irenikus mit Koberger in der Tat vermittelt, es aber auch mit seinem Zensoramt ernst genommen. Er fand, daß dem Buch trotz seines Umfangs noch mancherlei fehle, vor allem eine ausführliche Geschichte der Goten, deren Umrisse er nun, vielleicht unter dem frischen Eindruck der gotenbegeisterten Erörterungen, die ihm Cochläus aus Italien schickte, dem neuen Freunde entwickelt.[3] Aber im Eifer wird ihm daraus ein Programm der germanischen Wanderungsgeschichte überhaupt, von Brennus bis zu den Normannenzügen. Auch ein paar Fehler gab es zu korrigieren, die Pirckheimer schon in dem Inhaltsverzeichnis zu bemerken glaubte. Im übrigen aber wollte er mit seinen Bemerkungen nicht hemmen, sondern eher anspornen, wenn er auch wünschte, daß Irenikus sein Werk vor der Drucklegung Stabius und anderen Gelehrten zur Prüfung vorlege.

Diesen letzten Rat hat Irenikus nicht befolgt und sich dafür lieber mit größter Eilfertigkeit daran gemacht, sein Werk nach den Fingerzeigen Pirckheimers umzuarbeiten. Zum Teil ging diese Arbeit in Anshelms Hagenauer Druckerei selbst von statten und der Drucker hat sie ergötzlich geschildert[4]: „Der Germania halben,“ schreibt er am 7. Januar 1518 an Koberger, „wißt, daß ich, soviel Ihr seht, was ich in das Fäßlein geschlagen habe, die habe ich jetzt lassen liegen, aus der Ursache, Magister Franz macht noch stätig daran, jetzund thut er davon, jetzt dazu, so es demnach gesetzt ist[5], und kann selten kein Tagewerk geschehen, man muß zu dickern Mal 3 Stunden an einem Rahmen korrigieren, dazu ist ungeschickt[6] mein guter Korrektor, den ich zu Tübingen gehabt habe, Magister Philipp, des Reuchlins Vetter, zu mir spazieren gekommen, Doktor Pirckheimer kennt ihn in seinem Schreiben wohl, der hat in etlichen Dingen


  1. [275] 62) Scheurl an Spalatin 1517 nov. 3 (l. c. 35): Germanorum commentarii, quos tantopere desideras, mea opinione prelum subiere, te quoque adituri.
  2. [275] 63) Quelle hierfür und für das folgende ist der Brief Pirckheimers an Irenikus, der in den Opp. Pirckheimeri ed. Goldast p. 313 steht. Hier aber ist er an Rhenanus gerichtet und Horawitz und Hartfelder haben ihn denn auch im Briefwechsel des Beatus Rhenanus ebenso abgedruckt und zu 1530 zu datieren versucht, trotzdem nicht die geringste Beziehung des Inhalts auf die Res Germanicae des Rhenanus möglich ist. Eine Diskussion ist nicht nötig, da sich Irenikus an zahlreichen Stellen der Exegesis deutlich auf diesen Brief bezieht (s. I, 34, IV, 28, VI, 30, VII, 20, XI s. v. Austria, XII s. v. Vuestria). Damit wird nun die Bemerkung III, 117: is opem suam et bonam partem Germaniae nostrae attulit, ductu huius studia nostra reddidimus alacriora, multa emendavimus, plura detulimus, plura addidimus vollkommen deutlich. Durch den Scheurlbrief [276] und den w. u. zu erwähnenden Brief des Thomas Anshelm läßt sich der Pirckheimerbrief sicher zum Herbst 1517 datieren. Die Folgerungen, die man für einen Anteil Pirckheimers an dem Buch des Rhenanus aus dem Brief gezogen hat, sind also zu streichen. Ich bemerke noch, daß von den Anmerkungen, die Horawitz und Hartfelder dem Stück beigegeben haben, die zweite [Avares für Anures] durch Exegesis I, 34 bestätigt wird, dagegen ist Anm. 4 Aimoin und Anm. 6 das viel verbreitete Buch des Michael Riccius, De regibus Francorum gemeint. Ferner, daß Exegesis VII, 22 auf einen zweiten, uns wohl verlorenen Brief Pirckheimers an Irenikus angespielt ist, dessen Inhalt (non esse nec fuisse unquam Rhipheos montes) auch wegen der Beziehungen zu dem berühmten Huttenbrief vom 25. Okt. 1518 interessant ist. Er beweist, daß Pirckheimer seine Kenntnisse der Entdeckungen Michows nicht erst durch Hutten erhielt, sondern wohl schon 1517 durch Adelmann, der das Michowsche Buch als Augsburger Novität erwähnt [Heumann, Documenta 165].
  3. [276] 64) Heumann, Documenta literaria 13: Cochläus an Pirckheimer, Bologna 1517 märz 7: (hat an Anton Kreß seine 5. Querela gegen Justinian geschickt, sie enthält quinque quaterniones de bello Gothico).
  4. [276] 65) Den sehr interessanten Brief hat O. Hase, Die Koberger2, besprochen und den Originaltext im Anhang (Briefbuch der Koberger CXXV ff.) gegeben.
  5. [276] 66) Wird bestätigt durch Exegesis III, 117, s. o. Anm. 63.
  6. [276] 67) Natürlich = non vocatus. Steiff hat im CBlBiblW IX, 302 durch ein Mißverständnis und falsche Interpunktion eine Anspielung auf Johann Setzer herausgelesen, den Irenikus Exegesis II, 43 als Academiae Anshelmianae praeses erwähnt.