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Peutinger, der wenigstens in den Tischgesprächen Pseudoberosus wie Pseudocato gleich brauchbar gefunden hatte.[1] In der Tat war diese Haltung gerade der deutschen Humanisten einigermaßen begreiflich. Denn wie viele vermochten diese Lügenstammbäume von den Gebilden der Volks- oder Gelehrtensage zu unterscheiden, die ihnen bei Jordanes, Widukind, Gregor von Tours, Paulus Diaconus entgegentraten? Verwarf man den Berosus, so war es fast folgerichtiger, wie der große Zweifler Agrippa von Nettesheim tat, auch diese anderen alle und mit ihnen Tacitus, Orosius usw. als Fälschungen zu erklären.[2] Beatus Rhenanus war denn auch für Gregor von Tours nicht weit davon entfernt.[3]

Für Celtis aber bestanden solche Bedenken nicht, konnten auch kaum bestehen, denn wie wunderbar stimmte die wesentlichste Tendenz der Fälschung zu seinen Anschauungen! Die Absicht vielleicht schon des Fälschers, sicher aber des Kommentators, die Bildung Griechenlands und Asiens von Gallien abzuleiten, konnte niemand willkommener sein als dem Urheber der Druidenfabel. Berosus half ihm also nur Gedanken ausspinnen, die er längst gehegt hatte. Was er davon nicht niederschrieb, das hat er seinen Schülern vorgetragen und sein getreuester Erbe, Aventin, hat uns davon mit der ihm eigenen Lebendigkeit berichtet.[4]

Da hören wir, wie Celtis dem lauschenden Schüler seine „Feld- und Waldreligion“, die er in einer berühmten Ode ergreifend bekannt hat, in historischem Gewande vorträgt. Die alten deutschen Götter brauchten weder Altäre noch Opfer, auch keine Priester, wie die Gegenwart sie kennt, denn all das sind fremde Namen, teils griechischen, teils lateinischen Ursprungs. Die κύρικες oder κήρυκες der Griechen aber, von denen das Wort Kirche kommt, sind die Büttel und Herolde der alten Volksgemeinde gewesen, aber „tapfer, erbar leut“, viel edler als heute. Auch die alten Kultstätten kann man noch erkennen, die des „deutschen Herkules“ im „Herglesholz“ an der Donau nahe bei Regensburg und nicht weit davon die „alten Eichen“, „da unsre vorfordern iren gotsdienst gehalten“. „So si aber christen worden sein, ist der Hergle S. Heimeran und Obern und Nidern Altaich den heiligen S. Georgen und Maurizen geweicht worden und beide den orden S. Benedicti angenomen.“

Man sieht, wie die Druidenfabel sich bei Celtis umgebildet hat und wie er einen Zusammenhang gewinnt, in dem, gerade wie in Huttens Arminius, Wünsche der Gegenwart als Wirklichkeiten grauer Vorzeit erscheinen.


  1. [271] 24) Die ersten Zweifel finden sich in dem sog. Brief der Margaretha Welser von 1511 [s. darüber oben Kap. V, Anm. 71]. In seinem Berosusexemplar auf der Augsburger Stadtbibliothek hat Peutinger vorn eine kurze Inhaltsangabe mit der Unterschrift: τελως(!) XIII kal. januarii Monaci anno MD primo eingetragen. Darunter: Ludovicus Vives Valentinus Hispanus amicorum nostrorum praecipuus in prooemium (!) libri XVIII Augustini de civitate dei ita inquit: Erat quidem ad manum libellus, quem Berosi nomine vendunt bibliopolae, erant alia quaedam Ioannis Annii, quae non dubito, quin admiranda fuissent visa, si attulissem, nempe portentosa et vel solo auditu horrenda, sed ab illis prorsum abstinui, ne de fece, quod aiunt, viderer haurire, hoc est, e libellis frivolis et incertorum autorum, quos ad stupefaciendos imperitos lectores Graecia lusit ociosa non quod si Berosi sciissem esse, non essem perquam libenter usus, sed quod mihi foeturam subolebant Graeci homines, ut etiam Xenophontis aequivoca et alia multa, quae illorum non sunt, quorum titulos prae se ostentant: quod si quis illis delectatur, non procul sunt petenda, amet et fruatur sine me dumtaxat rivali. – Vives widmete seine Ausgabe 1522 Heinrich VIII. von England.
  2. [271] 25) In De vanitate scientiarum cap. 5 De historia.
  3. [271] 26) S. Res Germanicae 29. Auch Stabius kam von seiner Hunibaldkritik zur Verwerfung des Flodoard.
  4. [271] 27) Vgl. für das Folgende Aventin, WW. I, 346 [dazu VI, 131], II, 71, IV, 208, VI, 116, 136 und 161.