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den Alpen noch gebrauchen. Auch die Stämme Germaniens, die vor Julius Cäsars Zeiten in Belgien eingewandert sind, dürften gallisch gesprochen haben, bis sie romanisiert wurden, die Triboker und andere oberrheinische Stämme vielleicht zweisprachig gewesen sein.“ „Nun kann man leicht sehen“, fährt er fort, „wie groß der Zuwachs ist, den das alte Germanien erfahren hat. Mit einem Wort, was heute jenseits der Donau und linksrheinisch deutsch spricht, das ist von deutschen Stämmen erobertes, den Römern entrissenes Land“.

Dann beginnt die Aufzählung der „Auswanderungen“ der alten Germanen in römisches Gebiet. Rhenanus bemerkt, daß das nicht eigentlich zu seinem Thema gehöre, aber er gibt es, „damit das Büchlein vollständiger werde“. Wir erhalten also eine Liste der germanischen Wanderungen, ähnlich wie sie Nauklerus zum ersten Mal geboten hatte, auch Rhenanus beginnt mit Bellovesus und der „manus Germanorum“, die Bergamo gründet[1], aber der Galliersturm von 390 fehlt, denn Rhenanus lehnt die Gleichsetzung der Senonen mit den Sueven ab, die Deutschen hätten nicht nötig, den Galliern ihren Ruhm zu nehmen.[2] Dagegen sind die Kaledonier auf Grund der Angaben des Tacitus im Agrikola als Deutsche angesprochen. Die folgende Aufzählung bringt nun in scheinbar buntem Gemisch die Wanderungen der Tungrer, Nemeter, Vangionen, Nervier, Atrebaten, Ubier, Bataver usw., über den Rhein, der Markomannen, Quaden, Carpen[3], Sueven und Guthonen nach Osten und Süden bis nach Ungarn und Italien, endlich die Besetzung Spaniens durch Sueven, Chatten und Alanen, Afrikas durch die Vandalen. Doch ist diese Zusammenfassung nicht willkürlich: es sind die Stämme, deren ursprünngliche Sitze Rhenanus im alten Deutschland sucht.

Eine andere Gruppe bilden die Stämme, die von Norden oder Osten, von der Küste oder auch von Inseln herkommend sich in das innere Deutschland ergossen haben. Von ihnen sind die drei wichtigsten Franken, Alemannen, Sachsen. Die Franken müssen früher unbedeutend gewesen sein, da die Schriftsteller der prisca antiquitas sie nicht erwähnen, vielleicht haben sie unter den Chauken gesteckt, jedenfalls waren sie Küstenbewohner und berühmt als Seeräuber. Der Name Alemannen ist neu, sie kommen von den überelbischen Sueven her und brechen in die Gegenden zwischen Rhein, Main und Donau ein, um von hier bequem die blühenden römischen Provinzen plündernd heimsuchen zu können. Der Sieg Julians bei Straßburg wirft sie nur zeitweise zurück, unter Majorian dringen sie sogar nach Italien. – Auch die Sachsen sind ein Seeräubervolk aus dem Norden,


  1. [260] 126) Das hatte auch Peutinger 1505 von Berg abgeleitet, s. den Brief an Matthäus Marschalk von Pappenheim hinter den Sermones convivales.
  2. [260] 127) Res Germ. 79.
  3. [260] 128) Diese erwähnt er nach Ammian XXVIII, 1, 5. Er benutzt die damals noch ungedruckten letzten Bücher wahrscheinlich nach der Hersfelder Handschrift, aus der sie dann 1533 Gelenius edierte, s. Horawitz l. c. 341.