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durch die Erzeugnisse der Druckerpresse von seiner Tätigkeit Kunde erhielt, mochte das Bedauern des Irenikus teilen, der schon 1518 gefunden hatte, daß Rhenanus seinen Reichtum mehr zu Rate halte, als im Interesse der Nachwelt zu wünschen sei. Die Vellejus-Ausgabe von 1520 war schließlich doch nicht mehr als die durch philologische Gewissenhaftigkeit verzögerte Einlösung eines alten Versprechens, und daß neben den Studien über die deutsche Vergangenheit ihn sicher andere, vielleicht mächtigere Interessen bewegten, das zeigten die Ausgaben des Tertullian und der Autores Historiae ecclesiasticae.

Auch die Freunde, die mit Rhenanus im Briefwechsel standen, erfuhren kaum etwas von weiteren literarischen Plänen auf historischem Gebiete, wenigstens enthalten die auf uns gekommenen bedeutenden Reste des Briefwechsels keine Andeutung darüber – eine bemerkenswerte Tatsache in einer Zeit, wo man geistige Erzeugnisse längst vor ihrer Geburt anzukündigen pflegte. Dennoch spricht der Briefwechsel zu uns, wenn wir ihn nach den Hemmnissen und Antrieben befragen, die zur Vorgeschichte der Rerum Germanicarum libri III gehören.

Oder sollte es Zufall sein, daß derselbe Brief, der die Absage des Beatus Rhenanus an das Luthertum enthält, – es ist das berühmte Schreiben an Michael Hummelberg vom 1. September 1525 – zugleich die für ihn so bedeutsame Verbindung mit Johann Aventin anknüpft?[1] Man darf wohl sagen, mit diesem Zeitpunkt ist die Periode vorwaltend religiöser Interessen für Rhenanus abgeschlossen; er zieht sich, wie so mancher seiner Zeitgenossen, aus dem Lärm der Glaubenskämpfe der Gegenwart in die stillen Gefilde der Vergangenheitsbetrachtung zurück und knüpft an die alten Tacitusstudien wieder an.

Wenn in jener theologischen Periode des Rhenanus ein Besuch in Hirschau bei dem gefälligen Baselius und die Durchstöberung der dortigen Bücherei ihm nichts als eine Tertullianhandschrift einträgt, wenn um dieselbe Zeit ein Versuch von Otto Brunfels, ihn kirchenpolitisch für Barbarossa zu interessieren, glatt zu Boden fällt, so sehen wir ihn seit 1525 selbst die Freunde für historische Nachforschungen in Bewegung setzen und jede Anregung auf diesem Gebiete lebendig aufnehmen.

Was er zunächst beabsichtigte, läßt sich wenigstens vermuten; es ist nichts anderes als die Verwirklichung des alten Traumbildes der Humanisten, der Germania illustrata. Es scheint fast, als habe er sich hier vorerst bei Aventin versichern wollen, ob er nicht einen Konkurrenten in ihm zu sehen habe.[2]. Zum mindesten


  1. [258] 107) Zu dem Briefe an Hummelberg (Briefwechsel 334) ist das Schreiben Hummelbergs an Peutinger zu fügen (Lotter-Veith, Vita Peutingeri 208).
  2. [258] 108) Erster Brief an Aventin 1525 oct. 4 [Aventin, WW. I, 642, daraus Rhenanus, Briefwechsel 340]: Gratulor autem Germaniae, quod hunc tibi laborem illustrandae vetustatis desumpseris . . . tametsi Noricum, ut coniicio, praecipue celebrabis, non potest tamen fieri, quin obiter multa incidant, quae ad ceterarum provinciarum gloriam pertineant. – Darauf Aventin 1525 nov. 22: Hinc plane existimare poteris me non tam dementem esse, ut profitear me Germaniae antiquitates scripturum. – Für die Wendung des Rhenanus zu historischem Interesse mitten im Bauernkrieg ist wichtig der Brief Huttichs an Pirckheimer vom 18. Oktober 1524, auf den Knod (CBlBiblW IV, 3071) aufmerksam macht: Beatus Rhenanus ... hanc aestatem egit nobiscum Argentorati. Multa mecum, ut hominis est ingenium, de litteris et maxime Germanorum historiis contulit. – Über das Verhältnis des Beatus Rhenanus zu Aventin hat erleuchtend Max Lenz gehandelt (Geschichtsschreibung und Geschichtsauffassung im Elsaß zur Zeit der Reformation [in den SchrVRG XXXXIX], S. 18.