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verdächtig scheint, so behält er sie doch wegen ihrer moralischen Wirkung bei.[1]

Ebensowenig wie irgend ein mittelalterlicher Kompilator ist er ferner fähig eine aus der Zeitgeschichte gewonnene politische Erkenntnis für die Darstellung der Vergangenheit nutzbar zu machen. So lesen wir zum Jahr 1433 bei der Kaiserkrönung Sigismunds mit nicht geringem Erstaunen einen erheblichen Ausfall gegen die „neue Sitte“, den Kaiser mit einer goldenen, edelsteinbesetzten Krone zu krönen, da doch die alten Imperatoren nur mit dem Lorbeer gekrönt worden seien, und gegen den „Brauch oder besser Mißbrauch“ den Titel Imperator höher zu achten als rex, da doch dieser altrömisch sei.[2] Von soviel antiquarischer Weisheit und nationalrömischem Patriotismus ist an den Stellen der Weltchronik, wo Karl der Große und Otto I. erwähnt werden, nichts zu merken. Antonin dürfte damals die Diatribe des Poggio, aus der er dies etwa 1457 abgeschrieben hat[3], noch garnicht gekannt haben. –

Das ist der pater historiae, wie die Schlußschrift des Nürnberger Drucks von 1484 mit einer sehr übeln Herodotreminiszenz den Florentiner Erzbischof nannte.[4] Sein Werk, gerade in Deutschland zuerst und mehrfach gedruckt, konnte nur verderblich auf die junge Saat neuer Geschichtserkenntnisse wirken.

Besser steht es mit dem zweiten Buch, das hier zu nennen ist, mit dem Supplementum Chronicarum des Fraters Jacobus Philippus Foresta von Bergamo.[5]

Auch dies ist eine Mönchsarbeit, der Verfasser ist Augustinereremit, aber es ist aus einem ganz anderen Geiste geschaffen. Ja, man möchte es im Vergleich mit der Weltchronik Antonius für ein recht eigentlich modernes Werk erklären. Schon die Vorrede mit ihrer Berufung auf Cicero, die damals längst ein humanistischer Gemeinplatz geworden war, ihrem etwas marktschreierischen Selbstbewußtsein, aber auch mit ihrem ausgesprochenen Lokalpatriotismus steht in vollem Gegensatz zu der geistlich gehaltenen Antonins. Auch die Anordnung des Stoffes zeigt einen bemerkenswerten Unterschied. Zwar die sechs Weltalter behält Jakobus bei, aber die vier Weltreiche sind verschwunden und haben einem bunten Gewimmel von Reichen und Reichlein Platz gemacht, so wie etwa in unseren historischen Atlanten die paar Farben des staufischen Europas dem bunten Bild der Territorien des 15. Jahrhunderts. Auch die Papst- und Kaiserreihen haben ihre stoffbeherrschende Stellung verloren. Die Chronik ist in Bücher geteilt und ihr Abschluß erfolgt nach gutgewählten Gesichtspunkten


  1. [239] 9) Tit. XIV, Kap. 4, § 3.
  2. [239] 10) Tit. XXII, Kap. 10, § 1.
  3. [239] 11) Hist. Florentina Lib. VII Anfang – Poggio beruht wieder auf einem Brief des Venetianers Leonardo Giustiniani, den wir aus Heinrich Bebels Polemik kennen (s. die bei Zapf, Bebel S. 224 ff. beschriebene Ausgabe). Der Brief geht übrigens, wie Gaspary II, 654 bemerkt, auch unter Leonardo Brunis Namen und ist als solcher noch von Konrad Peutinger in einer ungedruckten Abhandlung De suprema Imperatoriae Maiestatis praeeminentia et potestate bekämpft worden, s. Lotter-Veith, Historia Peutingeri 92 ff.
  4. [239] 12) Schedel hat in seiner Chronik F. 255 den sonst von ihm ausgeschriebenen Artikel des Jacobus Bergomas durch diese Schlußschrift ergänzt.
  5. [239] 13) Für das Biographische Nouvelle biographie générale XVIII, 172. Ich zitiere das Supplementum nach der Ausgabe Venedig 1483 = Hain nr. 2805. Nach der Schlußschrift wurde das Werk in diesem Jahre am 29. Juni in Bergamo vollendet. Jakobus war damals 49 Jahre alt. Die Ausgabe hat 2 Teile mit gesonderten Blattzahlen, die aber häufig zu korrigieren sind. Bei den nachfolgenden Zitaten ist das geschehen. Für eine eingehendere Würdigung des Supplementum, die sich wohl verlohnen dürfte, müßten auch die späteren Auflagen herangezogen werden, so schon die zweite von 1485, die sich denuo castigatum atque auctum nennt, besonders aber die „Ausgabe letzter Hand“, Venedig 1603, mit interessantem Vor- und Nachwort und erheblichen, auch für Deutschland wichtigen Zusätzen.