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daß die Weisheit stets in den Kutten gesteckt habe und noch darin stecke.[1]


Es ist der Punkt, der das reformierte Mönchtum überhaupt von derjenigen Gruppe des Humanismus scheidet, die ihm in allem übrigen nächstverwandt ist, den Elsässern um Geiler, Brant und Wimpfeling.[2]

Von Geiler, Brant und Wimpfeling hat man gesagt, daß an ihnen Einsiedler verloren gegangen seien. Wimpfeling datiert mehrere seiner Schriften aus seiner Schwarzwaldeinsiedelei, dreimal scheint er im Begriff, sich ganz von der Welt zurückzuziehen. Aber gerade er kommt 1505 mit Trithemius in Zwiespalt darüber, ob der hl. Augustin ein Mönch gewesen sei; er will es schon deshalb nicht zugeben, damit Augustins Werke nicht von den Klugen dieser Welt verachtet würden. Man hat den Streit, der auf beiden Seiten weitere Kreise zog und sich zu einem Kampf zwischen Weltpriestertum und Mönchtum, ja beinahe zwischen Klosterbildung und Universitätsbildung auswuchs[3], nicht mit Unrecht ein Vorspiel zum Reuchlinschen Handel mit Pfefferkorn genannt.[4]

Daß sich die Elsässer Humanisten von der Welt zurückzogen, verhinderte vor allem das drängende Leben dieser Welt selbst, das sie mit tausend Fäden gefangen hielt. Nicht leicht zu irgend einer andern Zeit hat das Elsaß sich so deutlich als das Küstenland eines großen Kulturstroms gezeigt, an das alles Neue sogleich und kräftig angetrieben wird. Vom Norden kommt der Schulbetrieb und die devotio moderna der Brüder vom gemeinsamen Leben, vom Süden der Humanismus, teils von Italien direkt, teils von Basel, wo Johann Heynlin von Stein ihn mit einer Reform der Philosophie verbindet, von Frankreich her der Aufschwung der mathematischen Studien, die zugleich die Aufmerksamkeit auf Geographie im allgemeinen und die neuen Entdeckungsfahrten im besonderen lenken. Von hier aber auch die politische Bedrohung, zunächst durch den Burgundischen Koloß, dann nach seinem Fall, dessen Zuschauer das Elsaß wird, durch den unruhigen Ehrgeiz Karls VIII.

Und als nun der jugendliche Maximilian die nie ganz erloschenen besonderen Beziehungen des Elsaß zum Hause Habsburg neu zu beleben weiß, da fühlt sich das Land wieder wie einst als rechtes Reichsland, zumal ja nicht, wie anderswo, ein einheimisches Fürstenhaus einen Teil dieser Gefühle für sich beansprucht, auch nicht eine große Kommune sieh völlig aus ihrer Umgebung herausgehoben hat,

  1. [233] 58) Scientia latet in cucullis. S. über den Streit Trithemius-Wimpfeling w. u., für Butzbachs Eingreifen Richter l. c. 305.
  2. [233] 59) Grundlegend für den elsässischen Humanismus Ch. Schmidt, Histoire littéraire de l’Alsace. 2 Bde. Paris 1879. Neuerdings hat J. Knepper in zwei Büchern (Nationaler Gedanke und Kaiseridee bei den elsässischen Humanisten [1898] und Jakob Wimpfeling [1902]) denselben Zeitraum mit großem Fleiß und Heranziehung alles auffindbaren Materials behandelt. Wissenschaftlich aber kann ich seine Arbeiten nur als einen Rückschritt gegen Schmidt bezeichnen.
  3. [233] 60) Knepper, Wimpfeling 175; 189.
  4. [233] 61) Hagen, Deutschlands lit. u. relig. Verhältnisse im Reformationszeitalter I, 418 ff. S. zu der Fehde auch J. Schlecht [in der Festgabe für Heigel 236 ff.], Zu Wimpfelings Fehden mit Jakob Locher und Paul Lang.