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hinter der mächtigen Roma, bis das Kaiserreich in den Stürmen der Völkerwanderung zusammenbricht. – Wir sehen hier den humanistischen Pragmatismus an der Arbeit: Bruni will nicht eine interessante Geschichte erzählen; er will die Volksart der Florentiner womöglich schon in den Anfängen ihrer Geschichte finden, sodann das Florenz seiner Zeit aus der Geschichte erklären. Dieses Florenz ist selbständig gegen alle die andern italienischen Mächte, unabhängig von Kaiser und Reich, groß geworden im Gegensatz gegen sie. Deshalb ist Brunis Florenz schon im Altertum nicht die camera d’Imperio, die figliuola e fattura di Roma, wie bei Villani, es ist keine Gründung Cäsars und keine Neugründung Karls des Großen. Seine Florentiner sollen keine Ehre darin sehen, daß ihre Ahnen bei Pharsalus geholfen haben, den Pompejus zu besiegen, wie die Deutschen der Kaiserchronik. Sein Florenz stammt noch aus den Zeiten der Republik, oder es ist, da Sullas Veteranen sich doch nur den alten Einwohnern Fäsuläs zugesellen, ein Glied des alten etruskischen Bundes, der den Römern Kulturbringer und zugleich mächtigster Feind war und den sie – bedeutsame Mahnung! – vielleicht nie überwunden hätten, wenn er einig geblieben wäre. Und wer ihm von Pflichten gegen das Kaisertum spricht, dem erwidert er, daß dieses, sei sein Ursprung wie er wolle, jedenfalls keine ununterbrochene Fortsetzung des Imperium Romanum sei, ein Gedanke von umstürzender Kühnheit für einen Mann, der sich als Knabe im Gefängnis des heimatlichen Arezzo an dem Bildnis Petrarkas die erste Begeisterung für das Studium geholt hatte.

Der eigentliche Gegenstand von Brunis Werk aber ist der Geschlechterkampf. Er dünkt ihm zu bedeutsam, als daß er ihn wie Villani an einen Hochzeitsstreit anknüpfen möchte, den auch ein Novellist erzählen könnte.[1] Er stammt vielmehr, wie schon die Parteinamen verkünden, aus den Kämpfen zwischen Kaisertum und Papsttum, und der Staufenkaiser Friedrich II. ist es, der die entsetzlichen Kampfesweisen von Verjagung, Gütereinziehung und Meuchelmord aufgebracht hat, von denen die Jahrbücher seitdem erzählen. Sind aber die Ghibellinen kaiserlich, so kann, wer die Unabhängigkeit von Florenz will, nur guelfisch ist. Und Bruni ist guelfisch, sobald die Frage: kaiserfreundlich oder papstfreundlich heißt. Schon in seiner Lobrede auf Florenz vom Jahre 1401 hatte er gesagt: Was für Rom die Zensoren, für Lazedämon die Ephoren, das sind in dem Staate von Florenz die Häupter der Guelfen.[2] – In der innern Entwicklung jedoch stehen die Dinge für den Staatskanzler von 1420

  1. [223] 13) Er bringt die Schilderung erst nachträglich S. 39 z. J. 1266; auch hier ist sie für ihn nur ein additamentum odii.
  2. [223] 14) Ausgabe im Auszuge bei Klette, Beitrr. II. Die Stelle S. 102. Inhaltsangabe des Stücks durch Wotke in den Wiener Studien XI, 302ff. Sehr interessant ist auch die Diskussion über diesen Punkt in dem von Klette ibid. herausgegebenen Dialog Brunis De disputationum usu. Andere Ausgabe von Wotke unter dem Titel: Dialogus de tribus vatibus Florentinis. Wien 1889, S. 24.