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sind dunkle Linien, deren Zeichnung den Linien in der Handfläche einer Menschenhand gleichen.

„Diese Frau,“ sagte der Schmetterlingshändler, „muß vielleicht für irgendeine eingebildete Schuld ein Tempelopfer bringen, da sie mit einem solchen Schmetterling ihren besten Familienschatz verkauft, um Opfergeld zu erlangen.“

Ich erstand den Schmetterling. Und kaum hatte ich ihn in Händen, so wurde mir auch, ohne daß ich fragte, eine Erklärung über meinen Amulettverlust zuteil.

Der Schmetterlingshändler erzählte mir, daß jene Frau eine sogenannte „ewige Witwe“ sei, eine von jenen, die ihre Wangen nicht mit Ochsenblut bemalen und nicht mehr das Verlangen haben, einen anderen Mann als den Gestorbenen zu lieben. Um aber auch des Toten sicher zu sein, daß dieser ihr im nächsten Leben treu wird, wie sie ihm treu sein will, trägt eine solche Frau an einer unzerreißbaren Darmseite ein Amulett an der Brust, welches ein Menschenpaar darstellt. Wenn die Witwe aber dieses Amulett verliert, – denn ein Amulett wird eine Frau nie verkaufen, – hat sie damit die Treue des Toten

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Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/75&oldid=- (Version vom 31.7.2018)