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sich in meinem Traum aus dem See gereckt hatte und mit seiner Zunge in die Häuser eingedrungen war, aus denen es die Menschen einzeln herausgezogen hatte, um sie zu verschlingen. Bald würden hier Tragbahren ankommen. Bald würden die Häuser des kleinen Ortes einzelne ihrer Bewohner als Opfer der Cholera in dieses Zelt dem unerbittlichen Choleragespenst hingeben müssen.

Während wir noch dastanden, wurde schon auf einer verhüllten Bahre die erste Kranke aus dem Gasthaus, in dem wir wohnten, gebracht, die Dame, die mit ihrem Mann heute morgen aus Venedig angekommen war. Der Wirt mit seinem demütigen Eselsgesicht stand neben mir und stöhnte laut und hörbar, denn er wußte, jetzt würden seine Gäste fortziehen und alle Bewohner des Ortes sein Haus meiden. Und wer wußte es denn, ob nicht er und alle, die hier standen, bereits vom geheimnisvollen Choleratod gezeichnet waren?

Es war aber gar nicht mehr so leicht, dem Ort des Schreckens zu entfliehen. Die Dampfschiffe weigerten sich, in Limone anzulegen, und das Schiff, das die Ärzte gebracht hatte, war das letzte gewesen, das die Landungsbrücke berühren wollte.

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Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/358&oldid=- (Version vom 31.7.2018)