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wenn das junge Mädchen die Wache hatte, ob es nicht eingeschlafen wäre.

Er traf das Mädchen aber niemals schlafend an, denn es vertrieb sich die Zeit mit Lesen von Balladen und Romanzen, für die es eine Vorliebe hatte.

Mit der Zeit waren dem Händler die Augenblicke, die er zur Stunde der Maus mit dem jungen Mädchen verplauderte, wenn sie im Laden zusammen hinter die Körbe schauten, um die kleinen Ladenräuber zu verjagen, oder wenn sie ihm eine ihrer Romanzen vortrug, die sie bald alle auswendig kannte und die sie bei der Nachtwache laut hersagte, damit sie mit ihrer Stimme die Mäuse verjagte, – so zur angenehmen Gewohnheit geworden, daß er die Minuten im Laden unbewußt immer länger ausdehnte und sich eines Nachts klar wurde, daß er sich in das junge Mädchen verliebt habe.

Das kam, als das junge Fräulein ihn eines Nachts, da er wieder lange ihren Balladen zugehört hatte und noch eine Romanze zu hören wünschte, daran erinnerte, es seit Zeit, daß er wieder hinauf ins Schlafzimmer zu seiner Frau ginge. Und sie hatte lachend hinzugesetzt, sie wisse, daß er recht glücklich verheiratet wäre.

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Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/215&oldid=- (Version vom 31.7.2018)