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und afrikanische Finken, silbergrau wie deutsche Schwalben und mit korallenroten Schnäbeln. In einem Käfig allein saß eine deutsche schwarze Amsel, und ein anderer Käfig war voll mit zitronengelben Kanarienvögeln. Da waren auch Käfige mit Turteltauben, deren Federleib war silbrig und weiß wie Holzasche.

Alle diese Vögel saßen in ihren Drahtzellen wie bestrafte Verbrecher. Die meisten von ihnen waren zwar im Käfig geboren, aber ich mußte nachgrübeln, was wohl ihre Vorfahren in China, Afrika, Australien begangen haben mochten, daß ihre Kindeskinder hier, verbannt und gefangen, im Schaufenster der Potsdamerstraße ihre Lebenstage verbringen mußten.

Das elektrische Licht der nächsten Straßenlaterne sah schrecklich grell durch die glänzenden Drahtstäbe der Gitter auf die dünnen geschlossenen Augenhäute der kleinen unruhigen Schläfer. Das scharfe unnatürliche Licht mußte noch den Schlaf der Gefangenen schmerzhaft machen. Und die brüllenden Autohuppen, deren Fahrzeuge mit Gedröhn während der ganzen Nacht die große Stadt durchrasten, mußten die feinen musikalischen Ohren der Singvögel noch im Schlaf quälen.

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Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/178&oldid=- (Version vom 31.7.2018)