langen breiten Seidenbändern. Dagon glaubte plötzlich eine musikalische Begabung bei sich entdeckt zu haben und hatte öffentlich eigene Kompositionen gespielt und seine ersten Konzerte gegeben.
Seltsamerweise hatten alle Wohnungen, welche jene beiden Menschen bewohnten, den gleichen hellen und lichten Reiz eines glücklichen Heims. Niemand konnte in diesen weiten, behaglichen und lässig vornehm eingerichteten Räumen vermuten, daß hier zwei hausten, die sich marterten. Beider Zartfühligkeit traf sich hier und vereinigte sich im Ausdruck von Möbeln, Spiegel und Bildern. Die innere Zartfühligkeit Claudias gab den Räumen vornehme Ruhe, und die äußere Zartfühligkeit Dagons gab den Räumen jene unnachahmbare lässige Vornehmheit, die den Besucher glücklich einlullte. Erlesene Bücher, erlesene Kunstwerke und Musikinstrumente täuschten jeden, der nicht eingeweiht war in die Herzensschrecknisse, die sich hier zwischen zwei Lebenskameraden abspielten.
Claudia leitete ihr Haus lautlos, erzog ihr Kind glücklich und wußte sich immer ihren Freunden in ihrem Äußeren reizvoll modisch in Kleid, Haartracht und Schmuck zu zeigen.
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/164&oldid=- (Version vom 31.7.2018)