Bei jedem neuen Erlebnis ihres Mannes hoffte Claudia, es würde das letzte sein. In jener Zeit war es einmal, daß ihr die Geduld plötzlich riß und sie ein Messer nach Dagon schleuderte, das in der Tür stecken blieb. Und endlich mußte sie erkennen, daß ihres Mannes Seele, wenn sie nach ihr griff, immer ihrer Hand entglitt, so wie man den feinen Wüstensand nicht in der Hand behalten kann; denn wenn man die Faust zudrückt, rieselt dieser ewig bewegliche und ewig erhitzte Sand durch die Fingerritzen, und wenn man die Faust öffnet, hat man nichts in der Hand.
So war das Herz Dagons in der Hand Claudias. Wenn sie es noch eben festhielt, – es war nicht mehr da, wenn sie die Hand öffnete und nachsah.
Darüber wurde ihr eigenes Herz dürr. Es wurde von den Leiden und Schmerzen und von der Leidenschaft versüßt wie getrocknete Datteln, die zuckriges Fleisch um einen steinharten Kern tragen. Den Stein in Claudias Herzen löste nichts auf. Der Stein saß im süßen Fleisch unbeweglich, und das süße Fleisch welkte und dörrte.
Da wurde eines Tages Claudia von Verzweiflung gepackt. Ich war damals nicht in
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/162&oldid=- (Version vom 31.7.2018)