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variirt, durch welche sie eben von einander verschieden geworden sind; und desshalb werden auch die nämlichen Charaktere noch fortdauernd unbeständiger seyn, als die Sippen-Charaktere, die sich schon seit einer unermesslichen Zeit unverändert vererbt haben. Nach der Theorie der Schöpfung ist es unerklärlich, warum ein bei der einen Art einer Sippe in ganz ungewöhnlicher Weise entwickelter und daher vermuthlich für dieselben sehr wichtiger Charakter vorzugsweise zu variiren geneigt seyn soll; während dagegen nach meiner Ansicht dieser Theil seit der Abzweigung der verschiedenen Arten von einem gemeinsamen Stammvater in ungewöhnlichem Grade Abänderungen erfahren hat und gerade desshalb seine noch fortwährende Veränderlichkeit voraus zu erwarten stund. Dagegen kann es auch vorkommen, dass ein in der ungewöhnlichsten Weise entwickelter Theil, wie der Flügel der Fledermäuse, sich jetzt eben so wenig veränderlich als die übrigen zeigt, wenn derselbe vielen untergeordneten Formen gemein, d. h. schon seit sehr langer Zeit vererbt worden ist; denn in diesem Falle wird er durch lang-fortgesetzte Natürliche Züchtung beständig geworden seyn.

     Werfen wir auf die Instinkte einen Blick, von welchen manche wunderbar sind, so bieten sie der Theorie der Natürlichen Züchtung mittelst leichter und allmählicher nützlicher Abänderungen keine grössere Schwierigkeit als die körperlichen Bildungen dar. Man kann daraus begreifen, warum die Natur blos in kleinen Abstufungen die Thiere einer nämlichen Klasse mit ihren verschiedenen Instinkten vervollkommt. Ich habe zu zeigen versucht, wie viel Licht das Prinzip der stufenweisen Entwickelung auf den Bau-Instinkt der Honigbiene wirft. Auch Gewohnheit kommt bei Modifizirung der Instinkte gewiss oft in Betracht; aber Diess ist sicher nicht unerlässlich der Fall, wie wir bei den geschlechtlosen Insekten sehen, die keine Nachkommen hinterlassen, auf welche sie die Erfolge lang-währender Gewohnheit übertragen könnten. Nach der Ansicht, dass alle Arten einer Sippe von einer gemeinsamen Stamm-Art herrühren und von dieser Vieles gemeinsam geerbt haben, vermögen wir die Ursache zu erkennen, wesshalb verwandte Arten, auch wenn sie

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 477. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_477.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)