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Wir dürfen daher getrost folgern, dass Eisberge vordem ihre Bürden an der Küste dieser mittel-ozeanischen Inseln abgesetzt haben, und so ist es wenigstens möglich, dass auch einige Saamen nordischer Pflanzen mit dahin gelangt sind.

     In Berücksichtigung, dass manche der oben erwähnten und andre wohl später zu entdeckende Transport-Mittel ganze Jahrhunderte und Jahrtausende alljährlich in Thätigkeit gewesen, würde es nach meiner Ansicht eine wunderbare Thatsache seyn, wenn nicht auf diesen Wegen viele Pflanzen mitunter in weite Fernen versetzt worden wären. Diese Transport-Mittel werden zuweilen zufällige genannt, was nicht ganz richtig ist, indem weder die See-Strömungen noch die vorwaltende Richtung der Stürme zufällig sind. Indessen ist von diesen Mitteln wohl keines im Stande, keimfähige Saamen in sehr grosse Fernen zu versetzen, indem die Saamen weder ihre Keimfähigkeit im Seewasser lange behalten, noch in Kropf und Eingeweiden der Vögel weit transportirt werden können. Wohl aber genügen sie, um dieselben gelegenheitlich über einige Hundert Meilen breite See-Striche hinwegzuführen und so von Kontinent zu Insel, oder von Insel zu Insel, aber nicht von einem Kontinente zum andern zu fördern. Die Floren entfernter Kontinente werden auf diese Weise mithin nicht in hohem Grade gemengt werden, sondern so weit getrennt bleiben, als wir sie jetzt finden. Die Ströme würden ihrer Richtung nach niemals Saamen von Nord-Amerika nach Britannien bringen können, wie sie deren von Westindien aus an unsre Küsten spülen, wo sie aber, selbst wenn sie auf diesem langen Wege noch ihre Lebenskraft bewahrt haben, nicht das Klima zu ertragen vermögen. Fast jedes Jahr werden 1—2 Land-Vögel durch Stürme von Nord-Amerika über den ganzen Atlantischen Ozean bis an die Irischen und Englischen Küsten getrieben; Saamen aber könnten diese Wanderer nur auf eine Weise mit sich bringen, nämlich in dem zufällig an ihren Füssen hängenden Schmutz, was doch immer an sich schon ein seltener Zufall ist. Und wie gering wäre selbst in diesem Falle die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher Saame in einen günstigen Boden gelange, keime und zur Reife komme. Doch wäre

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_370.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)