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sind. Es lässt sich zweitens klar nachweisen, dass die blosse äussre Unähnlichkeit zwischen zwei Arten deren grössre oder geringere Unfruchtbarkeit im Falle einer Kreutzung nicht bedingt; und dieselbe Regel wird auch auf die gepflegten Varietäten anzuwenden seyn. Drittens glauben einige ausgezeichnete Naturforscher, dass ein lang-dauernder Zähmungs- oder Kultur-Zustand geeignet seye, die Unfruchtbarkeit der Bastarde, welche anfangs nur wenig steril gewesen sind, in aufeinander-folgenden Generationen mehr und mehr zu verwischen; und wenn Diess der Fall, so werden wir gewiss nicht erwarten dürfen, Sterilität unter dem Einflusse von nahezu den nämlichen Lebens-Bedingungen erscheinen und verschwinden zu sehen. Endlich, und Diess scheint mir bei weitem die wichtigste Betrachtung zu seyn, bringt der Mensch neue Pflanzen- und Thier-Rassen im Kultur-Zustande durch die Kraft planmässiger oder unbewusster Züchtung zu eignem Nutzen und Vergnügen hervor; er will nicht und kann nicht die kleinen Verschiedenheiten im Reproduktiv-Systeme oder andre mit dem Reproduktiv-Systeme in Wechselbeziehung stehenden Unterschiede zum Gegenstande seiner Züchtung machen. Die Erzeugnisse der Kultur und Zähmung sind dem Klima und andern physischen Lebens-Bedingungen viel minder vollkommen als die der Natur angepasst. Der Mensch versieht diese verschiedenen Abänderungen mit der nämlichen Nahrung, behandelt sie fast auf dieselbe Weise und will ihre allgemeine Lebens-Weise nicht ändern. Die Natur wirkt einförmig und langsam während unermesslicher Zeit-Perioden auf die gesammte Organisation der Geschöpfe in einer Weise, die zu deren eignem Besten dient; und so mag sie unmittelbar oder wahrscheinlicher mittelbar, durch Correlation, auch das Reproduktiv-System in den mancherlei Abkömmlingen einer nämlichen Art abändern. Wenn man diese Verschiedenheit im Züchtungs-Verfahren von Seiten des Menschen und der Natur berücksichtigt, wird man sich nicht mehr wundern können, dass sich einiger Unterschied auch in den Ergebnissen zeigt.

     Ich habe bis jetzt so gesprochen, als seyen die Varietäten einer nämlichen Art bei der Kreutzung alle stets fruchtbar. Es

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_279.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)