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die der andern, z. B. Silene, den beharrlichsten Versuchen eine Kreutzung zu bewirken in dem Grade widerstehen, dass man auch noch nicht einen Bastard zwischen den einander am nächsten verwandten Arten derselben zu erzielen vermochte. Ja selbst innerhalb der Grenzen einer und der nämlichen Sippe zeigt sich ein solcher Unterschied. So sind z. B. die zahlreichen Nicotiana-Arten mehr unter einander gekreutzt worden, als die der meisten übrigen Sippen, und Gärtner hat gefunden, dass N. acuminata, die keinesweges eine besonders abweichende Art ist, beharrlich allen Befruchtungs-Versuchen widerstand, so dass von acht andern Nicotiana-Arten keine weder sie befruchten noch von ihr befruchtet werden konnte. Und analoge Thatsachen liessen sich noch viele anführen.

     Noch niemand hat auszumitteln vermocht, welche Art oder welcher Grad von Verschiedenheit in irgend einem erkennbaren Charakter genüge, um die Kreutzung zweier Spezies zu hindern. Es lässt sich nachweisen, dass Pflanzen, welche in Lebens-Weise und allgemeiner Tracht am weitesten auseinandergehen, welche in allen Theilen ihrer Blüthen sogar bis zum Pollen oder in der Frucht oder in den Kotyledonen sehr scharfe Unterschiede zeigen, mit einander gekreutzt werden können. Einjährige und ausdauernde Gewächs-Arten, winterkahle und immergrüne Bäume, Pflanzen für die abweichendsten Standorte und die entgegengesetztesten Klimate gemacht, können oft leicht mit einander gekreutzt werden.

     Unter wechselseitiger Kreutzung zweier Arten verstehe ich den Fall, wo z. B. ein Pferde-Hengst mit einer Eselin und dann ein Esel-Hengst mit einer Pferde-Stute gepaart wird; man kann dann sagen, diese zwei Arten seyen wechselseitig gekreuzt worden. In der Leichtigkeit einer wechselseitigen Kreutzung findet oft der möglich grösste Unterschied statt. Solche Fälle sind höchst wichtig, weil sie beweisen, dass die Empfänglichkeit für die Kreutzung zwischen irgend zwei Arten von ihrer systematischen Verwandtschaft oder von irgend welchem kennbaren Unterschied in ihrer ganzen Organisation oft ganz unabhängig ist. Dagegen zeigen diese Fälle auch deutlich, dass

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_267.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)