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Schaden, welchen ein jeder Theil verursacht, wird immer zeigen, dass er im Ganzen genommen vortheilhaft ist. Wird etwa in spätrer Zeit bei wechselnden Lebens-Bedingungen ein Theil schädlich, so wird er entweder verändert, oder die Art geht zu Grunde, wie ihrer Myriaden zu Grunde gegangen sind.

     Natürliche Züchtung strebt jedes organische Wesen eben so vollkommen oder ein wenig vollkommener als die übrigen Bewohner derselben Gegend zu machen, mit welchen dieselbe um sein Daseyn zu ringen hat. Und wir sehen dass Diess der Grad von Vollkommenheit ist, welchen die Natur erstrebt. Die Neuseeland eigenthümlichen Natur-Erzeugnisse sind vollkommen, eines mit den andern verglichen; aber sie weichen jetzt rasch zurück vor den vordringenden Legionen aus Europa eingeführter Pflanzen und Thiere. Natürliche Züchtung wird keine absolute Vollkommenheit herstellen; auch begegnen wir, so viel sich beurtheilen lässt, einer so hohen Stufe nirgends in der Natur. Die Verbesserung für die Abweichung des Lichtes ist, wie ein ausgezeichneter Gewährsmann erklärt, selbst in dem vollkommensten aller Organe, dem Auge, noch nicht vollständig. Wenn uns unsre Vernunft zu begeisterter Bewunderung einer Menge unnachahmlicher Einrichtungen in der Natur auffordert, so lehrt uns auch diese nämliche Vernunft, dass wir leicht nach beiden Seiten irren können, indem andre Einrichtungen weniger vollkommen sind. Wir können nie den Stachel der Wespe oder Biene als vollkommen betrachten, der, wenn er einmal gegen die Angriffe von mancherlei Thieren angewandt worden, den unvermeidlichen Tod seines Besitzers bewirken muss, weil er seiner Widerhaken wegen nicht mehr aus der Wunde, die er gemacht hat, zurückgezogen werden kann, ohne die Eingeweide des Insekts nach sich zu ziehen.

     Nehmen wir an, der Stachel der Biene seye bei einer sehr frühen Stammform bereits als Bohr- und Säge-Werkzeug bestanden, wie es häufig bei andern Gliedern der Hymenopteren-Ordnung vorkommt, und seye für seine gegenwärtige Bestimmung mit dem ursprünglich zur Hervorbringung von Gallen-Auswüchsen bestimmten Gifte umgeändert aber nicht zugleich verbessert

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_212.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)