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behalten nicht immer im Sinne, dass, wenn auch das Futter jetzt im Überfluss vorhanden, Diess doch nicht zu allen Zeiten im Umlaufe des Jahres der Fall ist.

     Ich will voraussenden, dass ich den Ausdruck »Ringen um’s Daseyn« in einem weiten und metaphorischen Sinne gebrauche, in sich begreifend die Abhängigkeit der Wesen von einander und, was wichtiger ist, nicht allein das Leben des Individuums, sondern auch die Sicherung seiner Nachkommenschaft. Man kann mit Recht sagen, dass zwei Hunde in Zeiten des Mangels um Nahrung und Leben miteinander kämpfen. Aber man kann auch sagen, eine Pflanze ringe am Rande der Wüste um ihr Daseyn mit der Trockniss, obwohl es angemessener wäre zu sagen, sie seye von Feuchtigkeit abhängig. Von einer Pflanze, welche alljährlich tausend Saamen erzeugt, unter welchen im Durchschnitte nur einer zur Entwicklung kommt, kann man noch richtiger sagen, sie ringe um’s Daseyn mit andern Pflanzen derselben oder anderer Arten, welche bereits den Boden bekleiden. Die Mistel ist abhängig vom Apfelbaum und einigen andern Baum-Arten; doch kann man nur in einem weit-ausholenden Sinne sagen, sie ringe mit diesen Bäumen; denn wenn zu viele dieser Schmarotzer auf demselben Stamme wachsen, so wird er verkümmern und sterben. Wachsen aber mehre Sämlinge derselben dicht auf einem Aste beisammen, so kann man in Wahrheit sagen, sie ringen miteinander. Da die Samen der Mistel von Vögeln ausgestreut werden, so hängt ihr Daseyn mit von dem der Vögel ab, und man kann metaphorisch sagen, sie ringen mit andern Beeren-tragenden Pflanzen, damit die Vögel eher ihre Früchte verzehren und ihre Saamen ausstreuen, als die der andern. In diesen mancherlei Bedeutungen, welche ineinander übergehen, gebrauche ich der Bequemlichkeit halber den Ausdruck »um’s Daseyn ringen«.

     Ein Kampf um’s Daseyn folgt unvermeidlich aus der Neigung aller Organismen, sich in starkem Verhältnisse zu vermehren. Jedes Wesen, das während seiner natürlichen Lebenszeit mehre Eier oder Saamen hervorbringt, muss während einer Periode seines Lebens oder zu gewisser Jahreszeit oder in einem

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite xxx. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_068.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)