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II. Kritik der Stelle.
a) Der Verfasser des Sachsenspiegels und seine Angaben über das Vorstimmrecht.

Vor allem ist bei Beurtheilung der streitigen Stelle des Ssp. die bereits aufgeworfene Frage zu beantworten, ob der Verfasser des Rechtsbuches zugleich Urheber der dort aufgestellten Theorie ist.

Eine erschöpfende Antwort hierauf bietet unser Quellenmaterial nicht. Für den dritten Satz, die Gründung des Vorstimmrechts auf ein Erzamt, finden sich allerdings Belege in den Versen des Lohengrin[1] und in dem angeblichen Spruche Reimar’s von Zweter, während ebenso, wie beim Ssp. als wenigstens thatsächlich den Kurfürsten anhaftende Auszeichnungen ihre Erzwürden genannt werden in den Versen bei Martin von Troppau. Dass diese drei Quellen unter sich und mit dem Ssp. nicht verwandt sind, hat schon Waitz betont[2], und sie würden mithin eine willkommene Bestätigung bieten, wenn sie sich zeitlich dem Ssp. näher rücken liessen. Der Lohengrin ist aber schwerlich vor 1275 entstanden[3], die Verse sind von Martin von Troppau etwa 1270 in die Chronik aufgenommen worden[4], und die Zeit der Entstehung des Spruches, den man Reimar zugeschrieben hat, ist ganz unbestimmt[5]. Die Einwirkung einer vom Ssp. verbreiteten Theorie auf diese Stellen ist mithin nicht ausgeschlossen.

Etwas gesicherter steht die erste Behauptung des Ssp. von der Umänderung der alten Stimmordnung da. Im auctor vetus wird den sechs Fürsten, qui primi sunt in – electione, das Amt zuerkannt, den neuerwählten König auf seiner Romfahrt zu begleiten, um vor dem Papste die Gültigkeit seiner Wahl zu bezeugen. Das stimmt nicht nur auffällig mit den sechs thatsächlich Bevorrechtigten des Ssp. überein, sondern es ist auch schwer anzunehmen, dass unter jenen sechs nur geistliche, nicht vielmehr

    angeeignet. Das Bestehen jener zweiten Ansicht wird aber nicht, wie wir weiter unten sehen werden, durch den von Ficker hier angeführten auctor vetus erwiesen.

  1. Aber nur für die erzbischöflichen Kurstimmen.
  2. Forsch. XIII S. 214.
  3. Ausgabe von Rückert. Ficker, Wiener Sitzungsberichte 1874 S. 843.
  4. Waitz, Forsch. XIII S. 214.
  5. Lindner S. 171.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_299.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2023)