Seite:De DZfG 1895 12 166.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

und Bute den Verbündeten bis zu einem gewissen Grade in Schutz genommen.

Hinsichtlich dieser Quellen nun und ihrer Verwerthung weicht Michael’s Ansicht insofern principiell von der meinen ab, als er beide Berichte für gleichermassen glaubwürdig erachtet, ich aber die Zuverlässigkeit Gallitzin’s bestreite. Sobald nämlich Michael zugibt – und dies thut er unbedenklich –, dass der Brief Bute’s, wenn auch nur im Grossen und Ganzen, Wahrheit enthält, so hat er auch die Unglaubwürdigkeit der Russischen Gesandtschaftsdepesche anerkannt. Michael behauptet zwar (S. 290), dieselbe weiche nicht von den üblichen Formen diplomatischer Berichterstattung ab; da ist er aber doch sehr im Irrthum. Jeder, der schon Gesandtschaftsberichte gelesen hat, muss wissen, dass bei Wiedergabe von Unterredungen stets auch die eigenen Aeusserungen, wenn auch noch so kurz, und nicht bloss die Reden des Partners angegeben werden. Falls dies absichtlich nicht geschieht – und hier liegt die Absichtlichkeit für Jeden, der sehen will, klar am Tage –, dann ist der Bericht eine Fälschung, denn dann bringt er dem Adressaten einen falschen Begriff von dem Verlauf der Conferenz bei. Peter III. musste beim Lesen der Depesche, wiewohl Michael dies ohne Angabe eines Grundes bestreitet (S. 290), glauben, Bute habe einen langen Vortrag gehalten, den der Fürst schweigend angehört habe, dieser Glaube aber war falsch und der, welcher ihn wissentlich erweckt hatte, ein Fälscher. Michael sagt, Jeder gäbe eben „hauptsächlich das, was der Andere gesagt hat, und von seinen eigenen Aeusserungen nur das zum Verständniss Nothwendige“. Das ist insofern unrichtig, als Gallitzin gar nichts von seinen Aeusserungen gibt, Bute aber sehr viel. Michael fährt fort: „Gallitzin, weil er allerdings nur Bute’s Worte auf seinen Kaiser wirken lassen wollte“ – hier ist also die Absichtlichkeit ausdrücklich anerkannt – und weiterhin: „Auf Gallitzin’s Seite ist freilich eine geflissentliche Hervorhebung der für Preussen ungünstigen Aeusserungen Bute’s nicht zu verkennen“. Nun? Ist das nicht alles Beweis genug für die Unzuverlässigkeit des Berichts, für die tendenziöse Bestrebung seines Verfassers? Wie kann ein Gesandter, der das Seh- und Hörorgan des Souveräns im fremden Lande sein und die Kenntniss aller Geschehnisse so getreulich als möglich übermitteln soll, ein derartig wichtiges Gespräch in solch absichtlich entstellter Weise wiedergeben? Und Michael will bei dieser Sachlage behaupten: „seine Glaubwürdigkeit wird dadurch kaum (!) beeinträchtigt“. Gallitzin hat nicht bloss alle seine eigenen Bemerkungen und Auseinandersetzungen weggelassen, sondern er hat auch die wichtigsten Aeusserungen Bute’s, alles, was derselbe

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_166.jpg&oldid=- (Version vom 25.5.2023)