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von Humboldt’s politischen Ansichten in jener Zeit. Er hielt daran fest, Preussen müsse sich für eine bessere Zukunft unabhängig erhalten. Es ist dieselbe Politik[1], die Oesterreich verfolgt, den Frieden zu bewahren und mit Frankreich vereint zu bleiben, solange das geschehen kann, ohne sich in die Pläne des Pariser Cabinets zwingen zu lassen. Zugleich aber spricht sich in jener Aeusserung der Preussischen Regierung schon das Programm aus, das nach manchen Schwankungen zum Bündniss vom 24. Februar 1812 führte: Wenn Russland nicht helfen will und Oesterreich nicht kann, so bleibt nur der Anschluss an Frankreich übrig.

Inzwischen hatte Napoleon weitere Schritte gegen Russland gethan. Im Frühjahr 1811 ward Caulaincourt, der Träger der Tilsiter und Erfurter Politik, aus Petersburg abberufen und Lauriston mit einer Instruction, die schon zwei Eventualitäten für den Kriegsfall in’s Auge fasste, dorthin geschickt. Am 24. März beantwortete Napoleon die Gratulation des Pariser Handelscollegiums zur Geburt seines Sohnes mit drohenden Wendungen gegen Russland, das kurz vorher gegen die Einverleibung Oldenburgs scharf protestirt hatte[2]. Humboldt schien es, als ob die letztere Massregel in Russland den Wunsch nach einer Annäherung an Oesterreich lebhafter erregt habe[3]; für um so bedauerlicher hält er die beabsichtigte Besetzung Belgrads, welche die Verstimmung des Wiener Hofes natürlich verschärfen müsse. Er steht in der Betrachtung des Verhältnisses zwischen den beiden Kaiserstaaten durchaus auf Oesterreichs Seite. Solange Russland nicht deutlicher zeige, dass es seine eigenen Interessen kenne, so lange könne man von Oesterreich nicht verlangen, dass es sich opfere. Er glaubt, der Russische Gesandte Graf Stackelberg habe Metternich über seine Stellungnahme im Falle eines Russisch-Französischen Conflictes sondirt, und dieser habe ebenso ausweichend geantwortet wie ihm, als er über Preussen sprach. Die prekäre innere und äussere Lage raube Oesterreich überhaupt den Muth, kräftig Partei zu ergreifen. Die Befürchtung einer Allianz des Kaiserstaates mit Napoleon sei vorläufig nicht drohend, denn das Entgegenkommen des Französischen Kaisers sei nur durch sein eigenes

  1. Bericht vom 13. Februar 1811.
  2. Häusser 3, 530.
  3. Bericht vom 16. Februar 1811.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_096.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2023)