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und drohende Uebel herbeiführe. Auch wäre bei der Ohnmacht, in der sich Oesterreich und Russland gegenwärtig Frankreich gegenüber befänden, eine rasche Action kaum rathsam. Es wäre klüger, Napoleon das Vertrauen zu bezeigen, das man in ihn setze, diese Hingebung zum Pfande zu nehmen, dass er ein solches Vertrauen nicht missbrauchen würde, und abzuwarten, bis die beiden kaiserlichen Höfe vereinigt seien. Preussen wolle ja nur seine Ruhe und Integrität bewahren; deshalb wäre es das Richtigste, eine freundschaftliche Sprache zu führen – und zu gleicher Zeit an den Mitteln zu arbeiten, die einen besseren Schutz gegen Napoleons Gewaltthaten bieten. Trotz der Preussenfreundlichkeit des Kaisers und seiner Umgebung würde der Wiener Hof doch höchstens zu einer freundschaftlichen Intervention bereit sein; aber Preussen solle nur von allen Schritten hierher Mittheilung machen, um den Einklang zu erhalten; Oesterreich würde dadurch ins Unrecht gerathen, wenn es sich isolire und Preussen auf sich allein anweise. Die Erbitterung Metternich’s gegen Russland könne auch aus dem Wunsche, sich diesem zu nähern, stammen, und aus den Hindernissen, die das dortige System dem entgegenstelle. Auch er glaube, dass die Schuld mehr Rumjancev als der Kaiser trage, und rathe, um das falsche System zu brechen, sich an diesen direct zu wenden. Das gegenseitige Misstrauen sei auch auf Russischer Seite weniger begründet. Napoleon sei wüthend über die antifranzösische Stimmung im Wiener Publicum; sie soll wie 1808 sein, und ein Wechsel im Ministerium würde das ganze Ansehen der Dinge hier ändern.

Diese letztere Andeutung findet ihre Erklärung in Gerüchten, die Anfang 1811 von einer Ministerkrisis sprachen, von einem Ersatz Metternich’s durch Graf Starhemberg[1], die Humboldt nicht glaubt und die auch bald wieder verschwinden.

Halten wir hier schon als wesentliches Ergebniss von Humboldt’s Anschauungen, die er sich wenige Monate nach seiner Ankunft in Wien gebildet hatte, fest: von Oesterreich habe Preussen keine Hilfe zu erwarten. Das ist der Grundton aller seiner Berichte bis in die zweite Hälfte des Jahres 1812, und

  1. Bericht vom 16. Januar 1811.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_094.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2023)