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III. Die landesgeschichtlichen Studien bildeten das zweite grosse Thema der Tagesordnung. Vorbereitet wurde die Debatte schon am ersten Nachmittag, nachdem man die Abstimmungen über die Unterrichtsthesen erledigt hatte, durch einen fesselnden Vortrag Professor Schmoller’s über den Preussischen Beamtenstaat des 16.–18. Jahrhunderts. Auf den Inhalt hier näher einzugehen, müssen wir uns versagen. Der Vortrag bot die Quintessenz der langjährigen Studien des Redners auf seinem eigensten Arbeitsgebiete und berührt sich, wenn ich nicht irre, inhaltlich besonders nahe mit der Einleitung zu den eben ausgegebenen Bänden der Acta Borussica.

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Der Vormittag des zweiten Tages begann dann mit Referaten für die einzelnen Landestheile. Das Thema lautete genauer: Stand und Bedeutung der landesgeschichtlichen Studien, insbesondere die Arbeitsgebiete der landesgeschichtlichen Publicationsgesellschaften. Nicht weniger als sechs Referenten waren gewonnen, damit aber doch noch nicht alle Landschaften des Reiches gleichmässig vertreten, selbst wenn man den Ausdruck „Publicationsgesellschaften“ in ziemlich engem Sinne versteht. Es berichteten Professor v. Zwiedineck-Südenhorst für Steiermark, Geh.-Rath v. Weech für Baden, Dr. Hansen für die Rheinlande, Prof. Markgraf für Schlesien, Prof. Prutz für Ost- und Westpreussen, Archivrath Jacobs für die Provinz Sachsen. In dieser Zeitschrift ist über die Arbeiten der verschiedenen Histor. Commissionen, Gesellschaften und Vereine so regelmässig und ausführlich berichtet worden, dass es in den allermeisten Punkten eine Wiederholung sein würde, wenn wir auf den Inhalt der Referate im einzelnen eingehen wollten. Ueber die Steiermärkische Commission ist Nachrr. ’92, 369 und ’93, 87–89 berichtet, über die Badische Commission zuletzt ’93, 468–75, über die Rheinische Gesellschaft zuletzt ’93, 75–86; über den Schlesischen Verein ’90, 26. ’91, 207, über den Ost- und Westpreussischen Geschichtsverein zuletzt ’91, 206, über die Sächsische Commission zuletzt ’93, 250–57. Wo diese Berichte, die sich in der Regel ganz vorzugsweise auf die neuesten Unternehmungen jeder Gesellschaft beziehen, nicht genügen, um ein Bild im ganzen zu geben, werden wir später darauf zurückkommen. An dieser Stelle scheint es besser, davon abzusehen und nur einige allgemeine Gesichtspunkte hervorzuheben.

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Im Hinblick auf die neuere Entwicklung der Deutschen Landesgeschichtsforschung war es entschieden ein glücklicher Griff des Comités, das Thema zur Debatte zu stellen. Für die streng wissenschaftlichen Arbeiten in Deutscher Geschichte stand Jahrzehnte lang die Reichsgeschichte des früheren Mittelalters, d. h. vom 10. bis 13. Jahrhundert durchaus im Vordergrund; dieses Verhältniss hat sich in doppelter Hinsicht jetzt verschoben, spätere Zeiten werden von der fachmännischen Forschung mehr beachtet, und neben die politische Geschichte und die Reichs-Verfassungsgeschichte sind Wirthschafts-, territoriale Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte getreten. Beide Verschiebungen, die der Perioden und die der Materien, haben dazu geführt, der Territorial- und Localforschung grössere Bedeutung zu geben, und zugleich haben sie auf die Aufgaben eingewirkt, die die landes- und ortsgeschichtlichen Gesellschaften

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_195.jpg&oldid=- (Version vom 10.5.2023)