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noch weniger aber seien hierzu die Töchter der Markgräfin von Brandenburg (er meint damit die Herzogin Marie Eleonore von Preussen) befugt, zumal die Mutter schon vor Johann Wilhelm gestorben sei. Diese Anschauung stimmt nun genau mit der Aeusserung Stralendorf’s überein, welche ich in den Sitzungsberichten der hist. Cl. der Münchener Akad. d. Wiss. 1883, S. 450 angerufen habe, und widerspricht auf’s schärfste der Erklärung des „Gutachtens“, dass Brandenburg das beste Recht besitze.

F. Stieve.     


Eine Schilderung Kaiser Joseph’s II. und seines Hofes. Der Verfasser der nachfolgenden Aufzeichnungen, Johann Heinrich Landolt, ein junger Züricher aus guter Familie, besuchte auf einer mehrjährigen Studienreise zuletzt auch Wien, wo er sich vom 14. Juni bis 6. September 1786 aufhielt. Sein nur für seine Familie bestimmtes Tagebuch gibt die Eindrücke dieser Reise getreu wieder und sein Urtheil über Joseph II. und seinen Hof, so wenig wir für dasselbe eintreten oder seine Richtigkeit behaupten wollen, spiegelt immerhin die missgünstige Stimmung mancher Wiener Kreise über diesen grossen Fürsten wider[WS 1], dem es bei seinen Lebzeiten wie nach seinem Tode beschieden war, die entgegengesetztesten Empfindungen hervorzurufen. Einen andern Abschnitt des Tagebuches habe ich übrigens schon veröffentlicht unter dem Titel: „Aus dem Reisetagebuch eines jungen Zürichers“ (Halle 1892)[1].

E. Dümmler.     


Ehe wir aber Wien ganz verlassen, wollen wir noch einen Blik auf diesen Hof werfen, der auf dem Theater der Europäischen Nationen izt eine so wichtige Rolle spielt – und aus den von verschiednen Seiten her gesammelten datis den Charakter der vornehmsten handelnden Personen und die Ressorts, welche oft so sonderbare Erscheinungen hervorbringen, zu entwikeln versuchen.

Joseph II. trat die Regierung mit 300 Millionen Gulden Schulden an. Bald hätte Oesterreich unter einer noch lange fortdauernden Regierung der Theresia nothwendig banquerout werden müssen; denn die Finanzen waren in grosser Unordnung. Das entsezliche Heer von Favoriten, Favoritinnen, samt allen ihren Anhängern, die die Kaiserin umgaben, zogen Pensionen und Geschenke in Menge, und bedachten sich sehr gut. Wer avançiren oder eine Pension erhaschen wollte, durfte nur eine Kammerfrau heirathen, und er war seiner Sache gewiss.

Dieser Schuldenlast war der grösste Sporn zur Aufhebung der Klöster, und andern Reformen und Reduktionen. Dem ungeachtet

  1. Vgl. Bibliogr. ’93, 1017.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: wieder
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_165.jpg&oldid=- (Version vom 8.5.2023)