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beim Kanzler Anklage gegen ihn erheben. Diese Commission scheint jedoch kein rechtes Leben gewonnen zu haben, denn 1446 bestellte der Landesfürst zusammen mit dem Kanzler selbst eine Commission von drei Männern, die eine Statutenreform ausarbeiteten. Fürst und Kanzler bestätigten ihren Entwurf und verkündeten ihn als Gesetz: „Omnia et singula ordinamus et mandamus per doctores, magistros et supposita universitatis praefatae inviolabiliter debere observari“ (Zarncke, Die Statutenbücher der Universität Leipzig, p. 16).

Diese Leipziger Commission von 1446 unterscheidet sich von den Wittenberger Reformatores dadurch, dass sie nur zu einem bestimmten Zweck ernannt wurde, aber die Leipziger von 1438 war als regelmässig wiederkehrende Behörde gedacht. Freilich ist sie bald eingeschlafen, aber die Wittenberger auch, wie Muther selbst anführt. Beide sind also nur zu beurtheilen nach den sie erfüllenden Absichten und Anschauungen der Fürsten über ihre Stellung zur Universität, und diese waren in Leipzig die gleichen wie 70 Jahre später in Wittenberg. Es ist desshalb auch unnöthig, weiter zu fragen, wo das Vorbild der Wittenberger Commission zu suchen sei, es genügt, dass der Verfasser der Wittenberger Statuten jedenfalls aus den vier Leipziger Reformatores von 1438, oder aus den Basler Deputaten und den Kölner städtischen Provisoren oder endlich aus den Sapientes der Italienischen Städte, für welche auch der Name Reformatores begegnet[1], die Anregung dazu hätte entnehmen können. Da er wenige Jahre vorher das Amt des Syndicus der beiden Universitates in Bologna bekleidet und hier seine Vorstellungen über Leben und Einrichtungen der Universitäten gewonnen hatte, so lagen ihm die Italienischen Vorbilder besonders nahe; doch entscheidet das die Frage nicht.

Lassen wir also diese „reformatores generales“ bei Seite, da ihre Ernennung weder grosse thatsächliche Bedeutung hatte, noch ihr Gedanke etwas völlig Neues war; so fragt sich, ob im übrigen der Erlass der Statuten durch den Landesherrn, bezw. durch eine von ihm beauftragte Commission, einen Bruch mit der mittelalterlichen Selbständigkeit der Universität bedeutet,

  1. Malagola, Statuti delle Università e dei Collegi dello studio Bolognese. Bologna 1888. p. 168.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_121.jpg&oldid=- (Version vom 8.5.2023)