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Studien zur Geschichte des Papstes Leo X.
Von
Heinrich Ulmann.
(Schluss.)

II.
Das Räthsel seiner Politik.

„Veranlassung zu neuer Verwirrung (der Italienischen Angelegenheiten) gaben die, welche in höherem Maass als andere zur Erhaltung des Friedens verpflichtet, öfter als andere ihn stören, und absichtlich mit all ihrer Kraft das Feuer entzünden, welches sie, wenn andere Mittel nicht ausreichen, mit ihrem eigenen Blut zu löschen bedacht sein sollten,“ so lautet das Urtheil eines zeitgenössischen Patrioten, der jedoch zugleich ein hochgestellter päpstlicher Beamter war, über die Politik Leo’s X. Bekanntlich sind in den mehr als 300 Jahren, seit Guicciardini[1] diesen Vorwurf, der durch den durchsichtigen Hinweis auf den Stifter des Christenthums noch einschneidender wird, zugespitzt hat, gar mannigfach andere Schlüssel versucht worden, um in das Geheimniss einzudringen.

Dass hoher Ehrgeiz, gelindert durch fürchtende Berechnung, und eine starke Unentschlossenheit Hauptzüge sind im Charakter dieses noch jungen Papstes, den starkes Familienbewusstsein und der Wunsch, das Zutrauen seiner Wähler zu rechtfertigen, vorwärts trieben, wird als zugegeben angesehen werden dürfen. Die Schwierigkeiten erheben sich erst, wenn man sich mit diesen zu Tage tretenden Zügen seines Wesens nicht begnügt. Was hat es auf sich mit seiner Familienpolitik, wie stellte er sich zu den

  1. Storia d’Italia lib. XIV, Bl. 398 der Ausgabe von 1610, 4°. Venezia.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_090.jpg&oldid=- (Version vom 24.6.2023)