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Noch einen letzten Einwand Lindner’s dürfen wir nicht übergehen; er macht geltend, mit unserer Auffassung des Kurvereins stehe die Bedingung nicht im Einklang, welche die Kurfürsten der vorläufigen Aufnahme des Wettiners in ihr Collegium beifügten. Es wurde diesem nämlich auferlegt[1], dem Lauenburger, seinem Concurrenten, binnen eines Jahres vor dem König als Frager und den Kurfürsten als Urtheilern zu Recht zu stehen; versäume es der König, oder werde er daran gehindert, innerhalb der Frist den Gerichtstag abzuhalten, so sollten beide Bewerber sich, wieder innerhalb eines Jahres, von den Kurfürsten allein ihre endgültige Entscheidung holen. Dass hier in dieser Weise des Königs erwähnt wird, während der Binger Vertrag sein Dasein eigentlich ganz ignorirt, muss ja auffallen; aber die Erklärung liegt doch nahe genug. Der Kurverein war eine Abmachung der Kurfürsten unter sich, eine Norm für ihr ferneres Handeln, und den Wortlaut davon brauchte Niemand als sie und ihre Räthe zu erfahren; hier konnten sie also ganz offen sagen, was sie eigentlich wollten[2][WS 1]. Hingegen war die Festsetzung über die Sächsische Kur bestimmt, mindestens dem Könige und dem Herzoge von Lauenburg officiell mitgetheilt zu werden. Bedenkt man das, so erscheint es schon kühn genug, dass die Kurfürsten für den höchst wahrscheinlichen Fall, dass der König den Tag in einem Jahre nicht abhalte, die Entscheidung für sich allein in Anspruch nahmen, wozu sie auch nicht das geringste Recht hatten.

Fassen wir nun die Bestimmungen des Vertrages möglichst kurz zusammen. Die Kurfürsten, die von Gott zur Sorge für Ruhe und Ordnung im Reiche verordnet sind, und denen es gebührt, hierzu die übrigen Reichsstände mit heranzuziehen, constituiren sich zur Erfüllung dieser Aufgaben, wozu auch die Bekämpfung der Husiten gehört, als eine dauernd thätige Körperschaft. Sie treten zusammen, sobald einer von ihnen

  1. Dt. RTA VIII, Nr. 296 und 297 in fine.
  2. Im Sinne früherer Bemerkungen Lindner’s läge es vielleicht, hiergegen einzuwenden, die Kurfürsten seien „keine rechten Verschwörer“ gewesen, wenn sie es vermeiden wollten, dass der König über ihre Abmachungen Genaueres erfahre. Aber man könnte wohl eher gerade die merkwürdige Verschwörer nennen, welche ihre Absichten recht genau dem Bedrohten zur Kenntnissnahme vorlegen, damit er sich auch ja dagegen wehren könne.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Im Text fälschlicherweise Anmerkungsziffer 1 anstatt 2.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_076.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2023)