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als die Willebriefe[1]. Wollte der König einen Regierungsact von besonderer Wichtigkeit vollziehen, insbesondere Reichsgut veräussern oder ein erledigtes Fürstenthum neu verleihen, so war er durch das Reichsherkommen gebunden, dazu die Zustimmung der Kurfürsten einzuholen; es stand zu Rudolf’s Zeiten fest, dass Veräusserung von Reichsgut nur Gültigkeit hatte, wenn die Mehrzahl der Kurfürsten derart ihre Einwilligung erklärt hatte[2]. Es ist klar, dass diese Einrichtung einen kurfürstlichen Einfluss nur in vereinzelten Fällen zuliess, und dass sie diesen Einfluss nur den einzelnen Kurfürsten, nicht dem Collegium einräumte. Gerade weil der König von jedem einzeln durch Separatverhandlungen den Willebrief erlangen konnte, war die Einrichtung dem Königthum nicht sehr gefährlich.

Aber bald suchte das Collegium aus seinem Wahlrechte ein Absetzungsrecht herzuleiten, oder sagen wir besser, es zu usurpiren. König Adolf, den man des Thrones beraubt hatte, fiel zwar im Kampfe, aber sein Nachfolger Albrecht, zu dessen Gunsten der revolutionäre Act vorgenommen war, liess sich jetzt, nachdem das Reich durch Adolf’s Tod auch rechtlich erledigt war, noch einmal wählen; er erkannte also das Absetzungsrecht der Kurfürsten nicht an.

Kurz darauf schlossen die vier Rheinischen Kurfürsten einen Bund gegen den König (14. Oktober 1300); mit Waffengewalt musste Albrecht sie zum Gehorsam zwingen. Dieses Sonderbündniss entsprang zwar aus der Gemeinsamkeit rein materieller Interessen und war ohne Bedeutung für die verfassungsrechtliche Stellung der Kurfürsten, erregt aber als Vorläufer einer späteren Entwicklung unsere Aufmerksamkeit.

Wieder waren es drei Rheinische Kurfürsten, welche sich bald nach der Doppelwahl von 1314 dahin vereinigten, obwohl sie zu verschiedenen Königen hielten, sich unter einander nicht zu bekämpfen[3]; freilich handelten sie nicht darnach; der Thronstreit liess zunächst eine Einigkeit unter den Kurfürsten nicht aufkommen. Aber aus den Parteikämpfen, welche Ludwig’s des

  1. Lamprecht in Forsch. z. Dt. G. XXI, S. 1–19; Ficker in MInstOestG III, 1–62.
  2. Vgl. Mon. Germ. Leges II, 435.
  3. Böhmer, Regesten Kaiser Ludwig’s d. Baiern; Wahlacten und andere Reichssachen Nr. 52 (23. Aug. 1318). S. 239.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_065.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2023)