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Sieg ist sein letztes Ziel. Dem besiegten Ecke, der ihn freventlich gereizt hat, bietet Dietrich vergeblich Schonung an. Erst nach der hartnäckigen Weigerung des Gegners, sich ihm zum Manne zu ergeben, tödtet er ihn. Aber in den rührendsten Worten beklagt er den Tod des jungen Helden, der durch seine Masslosigkeit selbst seinen Untergang verschuldet habe[1]. Zweimal schont er in demselben Liede den hinterlistigen Fasold, Ecken’s Bruder, von dem er doch seinerseits keine Schonung erwarten durfte[2]. Im schönsten Lichte erscheint sein edler, milder Sinn im Nibelungenkampfe. Erst als sein herrlicher Freund, der getreue Rüdiger, und alle Amelungen, Hildebrand ausgenommen, von den Burgunden den Tod erlitten haben, tritt er in Waffenrüstung vor den Saal. Aber auch jetzt noch will er diejenigen schonen, die ihn, den heimathfernen Recken, im fremden Lande der letzten Hilfe beraubt haben. Er bietet Gunther und Hagen Frieden, wenn sie sich ihm zu Geiseln ergeben wollen, und diese Forderung stellt er nur, um seiner Treupflicht gegen die gefallenen Amelungen zu genügen und die Recken vor Kriemhildens Rache zu retten; er selbst will sie in die Heimath geleiten. Die nach hartem Kampf Bezwungenen übergibt er der grimmen Königin mit der Bitte, wenigstens ihr Leben zu schonen. Mit „weinenden Augen“ geht er von dannen[3].

Auch dieser Zug weiser Mässigung und edler Milde, der gerade den gewaltigsten Helden der Deutschen Sage vor allen anderen auszeichnet, erklärt sich aus dem geschichtlichen Vorbild Dietrich’s von Bern, aus jener Milde und Weisheit Theoderich’s, die selbst seine Italischen und Byzantinischen Gegner anerkannten, wie die Italische Chronik des Anonymus Valesianus[4] und das Zeugniss des Prokop beweisen.

  1. Eckenlied 142: er ist zer welt ein saelic man, der wol an allen dingen halten und lâzen kan.
  2. Eckenlied 187, 200.
  3. Nib. Nôt. 2261 ff. Dietrich’s edle Mässigung steht in charakteristischem Gegensatze zu Siegfried’s jugendlichem Uebermuth. Als letzterer zum ersten Male nach Worms kommt, da fordert er im Vertrauen auf seine gewaltige Stärke Land und Leute der Burgunden zu eigen. Er verspottet den älteren Hagen, den ersten und vornehmsten von König Gunther’s Mannen. Nib. Nôt 103 f., 121 u. 124.
  4. Der Anon. Vales. weiss uns von schiedsrichterlichen Entscheidungen
Empfohlene Zitierweise:
Gerhard Schneege: Theoderich der Grosse in der kirchlichen Tradition des Mittelalters und in der Deutschen Heldensage. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Band 11 (1894), S. 18–45. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg i. Br., Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_044.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)