Seite:De DZfG 1894 11 019.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

kindlichen Autoritätenglaubens, der nicht daran dachte, mit kritischem Geiste auf die directen Quellen zurückzugehen, über dem Arianischen Ketzer den wahren Theoderich vergass, hat die Sage des Deutschen Volkes das Bild desselben Germanenkönigs in seinen charakteristischen Zügen treu bewahrt.

Die folgende Untersuchung hat sich die Aufgabe gestellt, die mittelalterliche Tradition von Theoderich dem Grossen auf ihren Ursprung hin zu untersuchen und in ihrer Entwicklung chronologisch und kritisch zu verfolgen. Weiterhin soll der Nachweis geführt werden, dass die Sage des Deutschen Volkes, wenn auch nicht in den Lebensschicksalen, so doch, wie ich oben vorausgeschickt habe, in den ihm eigenthümlichen Charakterzügen in Dietrich von Bern das getreue Abbild des historischen Theoderich bewahrt hat – ein Nachweis, der einen wesentlichen Beitrag zu den historischen Erklärungsversuchen[1] der Dietrichssage bilden dürfte.

Entscheidend sind für die geschichtliche Würdigung Theoderich’s die Italische Chronik des sogenannten jüngeren Anonymus Valesianus und Prokop’s Geschichte des Gothenkrieges, – entscheidend, weil Gegner Theoderich’s sie nach seinem Tode geschrieben oder doch einer letzten Redaction unterworfen haben, zu einer Zeit, wo der Sieg der Byzantiner bereits entschieden war. Der nach Mommsen’s gerechtem Urtheil doch beschränkt orthodoxe Anonymus Valesianus[2] resumirt im ersten Theile seiner Italischen Chronik über die Herrschaft Theoderich’s: ergo praeclarus et bonae voluntatis in omnibus, qui regnavit annos XXXIII, cuius temporibus felicitas est secuta Italiam per annos triginta ita, ut etiam pax pergentibus esset. nihil enim perperam gessit. sic gubernavit duas gentes in uno Romanorum et Gothorum, dum ipse quidem Arrianae sectae esset, tamen nihil contra religionem catholicam temptans: exhibens ludos circensium et amphitheatrum, ut etiam a Romanis Traianus vel Valentinianus, quorum tempora sectatus est, appellaretur – – – – – donum et annonas largitus quamquam aerarium publicum ex toto faeneum

  1. L. Uhland, Dietrich von Bern in Pfeiffer’s Germania I.; M. Rieger in Wolf’s Zeitschr. f. Dt. Mythologie; Karl Meyer, Die geschichtl. Grundlage der Dietrichssage; W. Müller, Mythologie der Dt. Heldensage u. A.; Die mythologische Erklärung W. Grimm’s darf als überwunden gelten.
  2. Vgl. Mommsen in den Monum. Germ. auct. antiquiss. IX, 261.
Empfohlene Zitierweise:
Gerhard Schneege: Theoderich der Grosse in der kirchlichen Tradition des Mittelalters und in der Deutschen Heldensage. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Band 11 (1894), S. 18–45. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg i. Br., Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_019.jpg&oldid=- (Version vom 16.10.2023)