Seite:De DZfG 1893 10 062.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

beiden katholischen Kirchen unter Zeno’s Nachfolger Anastasius I. (491–518). Er hielt nicht nur am Henotikon fest, sondern näherte sich immer mehr dem eigentlichen Monophysitismus, so dass er als entschiedener Gegner des Concils von Chalcedon erscheint, gegen dessen Verfechter er auch vor Gewaltacten nicht zurückbebte: aus diesem Grund verfügte er u. A. die Absetzung des orthodoxen Patriarchen von Constantinopel Euphemius[1]. Die spätere griechische Tradition übertreibt natürlich Anastasius’ schroffe Stellung zur Orthodoxie; Arianer und Manichäer sollen z. B. über den Regierungsantritt dieses Imperators gejubelt haben (s. Theophanes, Chronograph. [um 818!], p. 210 f.). Besser kommt Anastasius beim (zweiten) Anonymus Valesii weg[2]; freilich ist der Bericht auch durchaus sagenhafter Natur; da wird der Monarch, der sogar einer himmlischen Vision gewürdigt wird, als gottesfürchtig geschildert. Aber auch in dieser wohlwollenden Version erscheint Anastasius’ Rechtgläubigkeit wenigstens zuletzt als anrüchig („nam ultima vita regni sui temptans eum diabolus vellens sectam Eunomianam [eine Arianische Secte!] sequi“ etc., ed. Mommsen a. a. O. p. 326 Nr. 78). Ein Zeno und vollends ein Anastasius konnten somit nicht als Vorkämpfer des katholischen Romanismus gelten[3].

Zur Zeit Guntamund’s war also eine Conspiration der Afrikanischen Katholiken mit dem ihrer Ansicht nach ketzerisch gewordenen Byzanz in keiner Weise zu befürchten; Hunerich’s Nachfolger entsprach demgemäss einfach den Anforderungen einer weisen besonnenen Politik, wenn er seinen orthodoxen Unterthanen den äusseren Frieden gönnte.

  1. Vgl. Vict. Tonnennensis Chron. ed. Mommsen p. 191 f., Olybrio V. C.: „Anastasii autem fide, immo perfidia – – – nota – – – Anastasius adversus synodi Chalcedonensis defensores episcopos atrociter saevit“ – – –, „Anastasio et Rufo conss.“ „Asterio et Praesidio conss.“ „Paulo V. C. conss.“, ed. Mommsen, p. 192; das (zweite) Schreiben Gelasius’ I. an die Bischöfe Dardaniens (Mansi VIII p. 49–71), Hefele p. 569 f., 617 f., 671. 688 f,, Schröckh p. 521–34 und meinen Aufsatz über den Metropolitenrang der Trier’schen Kirche (Forschungen z. Dt. G., 1877, p. 172 f.)
  2. ed. Mommsen, M. G. auct. ant. IX, p. 322 ff. 326.
  3. Förderlich erörtert die gesammte Materie, das Schisma unter beiden Kaisern, sowie die Aussöhnung beider Kirchen seit 518: Josef Langen, G. der Römischen Kirche von Leo I. bis Nicolaus I. (Bonn 1885) p. 140–299.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_062.jpg&oldid=- (Version vom 7.4.2023)