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das ist auf die phonetische Wiedergabe des näheren eingehen, so müsste ich den Fehler begehen und in den Widerspruch gerathen, vor dem ich Andere warnte. Wenn ich das а von я und das у von ю unterschieden habe, so geschah es nicht darum, dass ich die Weichheit oder die Härte der Aussprache wiedergeben wollte, sondern einzig und allein weil es im Russischen verschiedene Buchstaben sind; dasselbe kann auch von ѣ gelten, nur mit dem Unterschiede, dass das я und das ю nicht weiche a und u sind, wie Herr Harnack annimmt, sondern jotirte Vocale, die durch allmähliche Legirung von i + a und i + u entstanden, das ѣ dagegen nur eine blosse Entwicklungsphasis des е ist, und in Folge dessen mit Recht nicht durch j + e, wie es nach der Analogie mit я und ю für richtig gehalten werden könnte, sondern diakritisch durch ě transscribirt wird. Warum denn die Russischen Buchstaben е, і, и, wenn sie weich ausgesprochen werden, jotirt j + e, j + i schreiben oder sie mit einem accentus gravis versehen, wenn wir die Zeichen und nicht die Aussprache wiedergeben wollen? Dies würde uns doch unaufhaltbar dazu führen, wie es mit Herrn Harnack der Fall ist, die Russisch geschriebenen Worte, wie z. B. села, die meistens nur für Schüler сёла, das ist е = ё geschrieben werden, sjola zu schreiben, nämlich im Widerspruch mit unserem Princip einen Buchstaben durch zwei andere aus Rücksichten der Lauttransscription wiederzugeben. Und benutzt Herr Harnack das Lateinische y, um das höchst selten vorkommende, im Absterben begriffene, aus dem Griechischen stammende ѵ zu transscribiren, so muss er freilich das ы mit i schreiben, und das Russische і und и mit ji und ì, was jedem Slavisten nichts weniger als zweckmässig erscheinen muss, denn Miklosich, Kreck, das Archiv für Slavische Philologie und viele andere Autoritäten auf diesem Gebiete (vgl. meinen Aufsatz Bd. 6. pag. 377) benutzten und benutzen das y, um das Russische ы wiederzugeben und überliessen das ѵ seinem Schicksale. Kurzum, wir dürfen nicht die Weichheit und die Härte der Aussprache der Russischen Vocale wiederzugeben suchen, weil wir es nicht können, falls wir unserem Princip der Zeichenwiedergabe treu bleiben wollen. – Ob wir dann das х mit h oder ch, das в mit v oder w wiedergeben, ob man das ь mit j oder mit einem Accent auf dem vorhergehenden Consonant, etwa koń für конь schreiben soll, u. dgl. m., darüber muss eine Uebereinstimmung getroffen werden, denn dies kann nur auf einem conventionellen Wege geschehen.

B. Minzes.     

Replik. Zu erwidern hätte ich Herrn Minzes, dass meine Einwände nicht auf Berücksichtigung der Aussprache der Russischen Vocale, sondern auf Erwägung ihrer grammatischen Bedeutung

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_315.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)