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in der Landesrepräsentation für rathsam und schlug „das Ingredienz der Standesherren durch Geburt als Anschliessung an ehemalige Verfassung“ vor. Auf eigenthümliche Art entwickelte der Schlesische Baron und Staatsrath von Rhediger die Idee eines Zweikammersystemes. Es war derselbe, den Stein bereits 1808 zu den Arbeiten über reichsständische Verfassungspläne zugezogen hatte, den er aber später einen „rein buchgelehrten, unpraktischen, übrigens sehr schätzbaren Mann“ nannte[1]. Erst am 8. Januar 1819 schickte Rhediger sein schriftliches Gutachten ein, das über achtzig Seiten füllte. Er stellte sich als entschiedenen Freund einer Repräsentativverfassung für den Preussischen Gesammtstaat dar, suchte eine Reihe von Bedenken, die gegen dieselbe geltend gemacht worden, zu widerlegen und warnte davor, dem Rathe gewisser Grossmächte zu folgen, die „einem Gerüchte“ nach Preussen von der Einführung einer Constitution abgemahnt hätten. Die politische Romantik wurde von ihm bitter beurtheilt: „Als die Französische Revolution in ihrem Anfang für ein Umwandlungsstadium im Bildungsgange der Menschheit galt, sollte diese wie der Schmetterling von der Puppenhülse sich von der Geschichte loswinden und, weiter um sie nicht bekümmert, mit neuer Gestaltung ganz neues Leben gewinnen. Umgekehrt soll sie jetzt, nachdem diese Erwartung so grausam getäuscht worden, sich wieder in die Hülse zurückflüchten, in ihr Innerstes sich hineinzwängend. Grosses und Ideales nun, meint man, finde sich nur im Mittelalter und noch tiefer hinein in den Germanischen Urwäldern, es gäbe keinen anderen Weg des Heils als gerade dahin zurück, aber ein so grelles Rechtsum zum Alten, weil Neues misslungen, dürfte wohl auch nicht das Rechte sein, und sich Zurückwenden in die Geschichte, die nur besonnenes Umsehen nach ihr in Anspruch nimmt, ist eben deshalb selbst nicht geschichtlich – –. Das Herkommen werde geachtet, nur fordre es keinen Götzendienst – –. Unbegründet ist das Vorgeben, als stehe es schon geschichtlich fest, dass dauernde Verfassungen sich nur selbst machen und nicht gemacht werden können“. Er wandte sich auch gegen die „altgermanische Theorie vom Grundbesitz und Eigenthum, wonach alle Vertretung

  1. Siehe meine Abhandlungen und Actenstücke zur Geschichte der Preussischen Reformzeit S. 151 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_084.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2023)